Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der einzige Weg, Oliven zu essen und andere intime Gestaendnisse

Der einzige Weg, Oliven zu essen und andere intime Gestaendnisse

Titel: Der einzige Weg, Oliven zu essen und andere intime Gestaendnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lonnie Barbach , Linda Levine
Vom Netzwerk:
hat.
Nicht ein Mann fand mich deshalb unattraktiv.
    Außerdem schlägt mein Herz
unrhythmisch, und wenn ich mich zu sehr anstrenge, schlägt es auch sehr laut
und für den anderen durchaus wahrnehmbar. Auch damit habe ich gelernt, fertig
zu werden und mich zu entspannen. Ich denke, es ist meine eigene Einstellung,
die den Unterschied bewirkt. Ich fühle mich einfach gesund. Ich weiß zwar
genau, daß ich ein ernstes Herzleiden habe, das eine chronisch sich
verschlimmernde Angelegenheit ist. Aber ich ziehe es ganz bewußt vor, ein
gesundes, normales Leben zu leben. Und das klappt ausgezeichnet. Vielleicht
liegt in dieser, meiner eigenen Haltung auch der Grund, warum meine Narben nie
einen Sexualpartner gestört haben. Weil ich so viel Spaß und Schwung in meinem
Leben habe, sehen sie mich womöglich viel stärker, als sie meine Narben zur
Kenntnis nehmen .«
     
     

Körperliche Mängel
     
    Frauen mit Körperbehinderungen
sind sexuell durch ihre körperlichen Möglichkeiten, aber auch von der
allgemeinen Einstellung der Gesellschaft eingeschränkt. Sie werden als
sexuelles Neutrum gesehen. Wenn die Körperbehinderung schon mit der Geburt oder
in frühem Kindheitsstadium begann, wuchsen Frauen oftmals in dem Bewußtsein
auf, daß Freunde und romantische Begegnungen nur zu den Freuden der anderen
Mädchen ihres Alters gehörten, sie selbst aber gleichsam von vornherein aus dem
Rennen seien. Die notwendige Behandlung durch Ärzte, für die sie nur ein
Objekt, ein klinischer Fall sind, lehrte sie ihren Körper als etwas Fremdes
anzuschauen. Dazu kam, daß ein solches Mädchen in der Regel von seinen Eltern
über Gebühr beschützt wird. Die 27jähri-ge Lorraine lebt allein und ist durch
eine Hirnlähmung behindert. Sie ist als Beraterin für Behinderte tätig und
beschrieb uns einige jener Gefühle, wie sie bei Körperbehinderten ziemlich
allgemein anzutreffen sind:
    »Ich habe eine Hirnlähmung, die
durch eine Verletzung bei der Geburt entstanden ist. Vom zweiten bis zum
siebzehnten Lebensjahr trug ich von der Taille abwärts Beinschienen und befand
mich ständig in ärztlicher Behandlung. Daraus entstanden eine Menge negativer
Auswirkungen auf meine Selbsteinschätzung, vor allem in bezug auf meinen Körper
und meine Sexualität. Bis heute belästigt es mich, wenn ich angefaßt werde,
weil man mich bei der medizinischen Behandlung und den zwanzig Jahren
körperlicher Untersuchungen oft vor medizinischem und anderem klinischem
Personal zur Schau stellte. Wenn diese Leute mich berührten — Therapeuten,
Ärzte, Pflegepersonal —, taten sie es immer nur aus diagnostischen Gründen. Zum
Beispiel bei einer neurologischen Untersuchung fragte man mich: >Ist das
scharf oder stumpf? Ist das heiß oder kalt ?< , aber
niemals: >Wie fühlt sich das an? Wie fühlen Sie sich selbst dabei?< Die
Leute erlaubten sich alles mit meinem Körper bei ihren Behandlungsmethoden, und
ich hatte niemals das Empfinden, meinen Körper auch einmal als Teil meiner
selbst betrachten zu dürfen und zu sagen: >Einen Moment mal, bitte, Sie
gehen hier mit mir um.< Meiner Ansicht nach wäre wohl ein Erwachsener in der
Lage gewesen, so etwas zu sagen. Als Heranwachsende bildete ich mir ein, daß
das alles nun einmal so sein müsse. Deshalb konnte ich nur den Standpunkt
vertreten, daß hier nicht der Platz sei, an dem ich einmal selbst meinen Mund
aufmachen dürfe.
    Also lebte ich mit meinen
Gefühlen des Behindertseins und des nur Objektseins für andere, wobei ich mich
selbst gegen alles abzuschirmen versuchte, was da vor sich ging. Im
Teenageralter wurde ich dann mehr und mehr meines Aussehens bewußt und wurde
immer unglücklicher dabei. Ich mühte mich ab, gehen zu lernen und meine
schweren Beinschienen herumzuschleppen. Ich versuchte auch, alle körperlichen
Impulse, vor allem jene sexueller Art, zu ignorieren.
    Ich erinnere mich, daß ich als
kleines Kind überraschende Gefühlserlebnisse in den Genitalien hatte, aber
nicht wirklich masturbierte, weil ich keine Ahnung hatte, was das eigentlich
sein könnte. Aber ich lernte die Muskeln in meiner Vagina kennen und merkte,
daß es Freude bereitete, wenn ich sie zusammenzog. Ich wußte aber nicht, daß
das ein sexuelles Gefühl sei. Meine Eltern erzählten mir zwar von der Biologie
des Geschlechtslebens und von der Zeugung, aber ich bekam auch eine subtile
Einstellung der Familie mit, daß das Gebiet der Sexualität für mich wegen
meiner Behinderung nicht in Frage komme. Das haben sie mir nicht ins

Weitere Kostenlose Bücher