Der eiserne Gustav
wußte er noch so ein Wahrsprüchlein für jemanden, der in seiner leeren, kalten Wohnung steht, wieder einmal ohne Aufgabe … HeinzHackendahl weiß mehr von sich, als er mit siebzehn Jahren gewußt hat: Er weiß, daß er kein großes Licht ist. Er ist ein Handwerker, aber das traut er sich immer noch zu, daß er seinen Platz ordentlich ausfüllen kann. Nur, er möchte gerne wissen, wo denn der ist, der Platz?! Die Aufgabe?! Man will doch nicht bloß mit Ach und Weh über diese Erde gekrochen und satt geworden sein; über den Himmel und Gott mag man denken, wie man will, aber etwas mehr als eine Milbe glaubt man doch zu sein. Oder wie …?!
Heinz Hackendahl klopft wütend los auf sein Bett. Er hat sich in Brand gedacht, es ist völlig ausgeschlossen, daß sein Lebenszweck der ist, auf die Bank zu gehen und eine erstklassige Statistik über die Entwicklung der Ausfuhr in der Elektroindustrie (unter besonderer Berücksichtigung der im Ausland von deutschen Kräften montierten Anlagen) zu machen und dann abends nach Haus zu schleichen und seine Bude in Ordnung zu bringen. Weit entfernt hiervon!
Heinz Hackendahl hat es plötzlich eilig, weder schließt er die Ofentür noch das Fenster, auch die Betten werden nicht gemacht. Dafür setzt er den Hut auf, zieht den Mantel an und stürmt los, stürmt durch die Stadt, denkt nicht daran zu fahren. Ungeduld kann man sich nicht abfahren, Ungeduld muß man sich aus dem Leibe laufen …
Das Ergebnis ist, daß er noch ungeduldiger in den Laden der Witwe Quaas stürmt. »Quaasin, machen Sie keine Wippchen! Ich muß die Irma auf der Stelle sprechen!«
Und schon, ehe die noch viel jämmerlicher gewordene Quaas auch nur einen Wehlaut hat von sich geben können, ist er über den Ladentisch fort und in der Stube.
»Irma, entschuldige, ich habe es wahnsinnig eilig … Wann wollen wir heiraten?«
»Du bist wohl ganz verrückt geworden, Heinz! Dich heirate ich bestimmt nie!«
»Ich sage dir doch, ich habe es eilig …! Warte mal, die Ringe muß ich hier in der Tasche haben – warte doch …!Auf dem Standesamt war ich auch schon, deine Mutter hat mir die Papiere gegeben, würde dir Mittwoch passen …?«
»Ich habe nie …!« klagt Frau Quaas los, aber ihr Stimmchen verhallt unbeachtet.
»Blödsinnig!« sagt Irma. »Völlig blödsinnig geworden! Wie alt sind Sie, Jüngling?«
»Bitte, Irma, also nu los! Laß doch diese alberne Ziererei!«
»Das verbitte ich mir! Ich ziere mich gar nicht …«
»Natürlich zierst du dich!«
»Nein!«
»Doch!«
»Nein!«
»Und wer hat damals mit der Küsserei angefangen?«
»Eine Ohrfeige hab ich dir damals runtergehauen, und ich möchte gleich wieder …«
»Bitte!«
»Wie …?«
»Bitte! Du wolltest mir doch eine kleben? Los! Aber dann komm mit!«
»Wohin soll ich denn mitkommen?«
»Aber das sage ich dir doch schon zum zehntenmal: unsere Wohnung ansehen!«
»Nun hat er auch schon ’ne Wohnung!«
»Wenn du mich heiraten willst, muß ich doch ’ne Wohnung haben. Das ist bloß logisch!«
»Ich will dich doch gar nicht heiraten!«
»Natürlich willst du! Nu fang doch nicht noch mal mit dem Quatsch an!«
»Ich will nicht!«
»Aber du kannst doch nicht mehr zurück. Wir hängen doch schon auf dem Standesamt!«
»Das ist deine Sache, wie du das rückgängig machst!«
»Ich will es ja gar nicht rückgängig machen!«
»Aber ich!«
»Na, siehst du!«
»Was sehe ich …?«
»Daß wir einig sind!«
»So blöd!«
»Na, natürlich!« sagt er und grinst. »Was denn sonst?«
»Du denkst, du kannst mich reinlegen. Mich nie! Als Jugendfreund, das hab ich dir damals schon gesagt, meinethalben. Aber als Mann – nie!«
»Irma! Irmchen!! Irmgard!!! Ich habe es dir doch selbst angeboten – also bitte!«
»Was denn?«
»Die Ohrfeige! Du willst mir doch ’ne Ohrfeige hauen! Also bitte!«
»Ich denke gar nicht daran!«
»Du leidest an einer versetzten Ohrfeige! Bitte, hau sie mir endlich – für die ganze Vergangenheit! Bitte! Irma!«
»Ich denke nicht daran – und von der Vergangenheit schweig lieber stille!«
»Gerne – wenn du mir die Ohrfeige gibst! Andere geben sich einen Verlobungskuß, wir geben uns eine Verlobungsohrfeige. Den Kuß haben wir schon hinter uns.«
»Die Ohrfeige auch!«
»Gott, bist du ein hartnäckiges Mädchen! Du willst dich also gar nicht überrumpeln lassen?«
»Von dir nie!«
»Auch gut! Dann muß ich dir eben Bedenkzeit lassen!« Er schnüffelte kummervoll, zog sich einen Stuhl an den Tisch und
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