Der eiserne Gustav
die Aufbewahrung von Geld, und im allgemeinen waren sie auch völlig sicher.
Und dann war es auf einen Schlag mit alledem vorbei. Die Rentenmark war gekommen, die Flut verrann, und wie es ja meistens nach einer Flut ist: Sie hinterließ Schlamm, Zerstörung. Solange noch die hohen Scheine, die vielen Scheine im Umlauf gewesen waren, war es den Leuten, selbst den armen Leuten nicht so recht zum Bewußtsein gekommen, wie arm sie eigentlich waren. Die hohen Zahlen, die Masse der Scheine, das hatte einen Schleier über alles geworfen, es war unmöglich gewesen, klar zu sehen.
Nun aber fing bei den Banken das große Aufräumen an. Konten wurden nachgesehen, Sparbücher geprüft, Aktien gezählt und verglichen – und dann gingen Briefe an die Kunden heraus. »Sie werden gebeten, Ihr wertes Konto bei uns wegen Geringfügigkeit aufzulösen. Ihre Effekten usw. liegenzur Abholung in den Schalterstunden bereit. Mit vorzüglicher Hochachtung …«
Und es begann der Einmarsch der Geprellten, der Schieflieger, der Enteigneten, der sich betrogen Fühlenden; es kamen die alten Leute, die mit den mühsam erworbenen Papieren ihren Lebensabend hatten sichern wollen, es kamen die Rentiers, die kleinen Sparer, mittlere und hohe Beamte. Es zeigte sich, daß dies Volk nicht gerade das gewesen war, was man geschäftstüchtig nennen kann. Sie hatten keine Devisenspekulationen gemacht, keine Schiebungen – sie hatten einfach gewartet und alles verloren.
Tagelang war die Halle der Bank angefüllt mit den Klagen, den Protesten, dem Weinen, den Verwünschungen der Alten. Die Angestellten redeten gut zu; aber es ist schwer, jemanden, der sich betrogen fühlt, durch Zureden zum stillen Dulden zu bringen. Es ist unmöglich.
»Hören Sie mal«, sagte ein alter Herr etwa und schlug erbittert auf seine schön gedruckten und mit schwungvollen Unterschriften versehenen Aktien. »Das sind hier also Aktien. Für zwanzigtausend Mark Aktien. Und die sind nichts mehr wert?«
»Sie müssen den Dollarstand in Betracht ziehen, Herr Rat. Der Dollar stand zuletzt auf 4200 Milliarden Papiermark. Diese Aktien sind auch Papiermark. Es kommt also noch nicht einmal ein Pfennig Wert heraus.«
»Aber als ich der Fabrik mein Geld gab, war es Goldgeld. Die Reichsbank wechselte es mir jeden Tag gegen Gold ein.«
»Ja, damals, das war vor dem Kriege, Herr Rat. Wir haben seitdem einen Krieg verloren!«
»Wir …? Sie vielleicht – ich nicht! Meine Söhne – aber das gehört nicht hierher. Die Fabrik aber, die damals mein Geld bekommen hat, die ist doch noch da, nicht wahr? Ich habe sie mir neulich einmal angesehen, die Schornsteine rauchten.«
»Ja gewiß, Herr Rat …«
»Die Fabrik ist also nicht zu Papier geworden …«
»Sie müssen verstehen, Herr Rat, die Entwertung der Mark …«
»O doch, ja, ich verstehe vollkommen. Es ist wie bei meinen Kriegsanleihen. Es ist wie bei: ›Der Dank des Vaterlandes ist euch gewiß …‹«
»Wir haben den Krieg …«
»Ausgezeichnet – und lassen die anderen dafür bezahlen! Ich danke! Guten Tag, mich sieht eine Bank nicht wieder!«
Er ging dahin; der unselige Angestellte, dessen zwanzigster empörter Kunde das an diesem Tage war, sah ihm verzweifelt nach …
Aber schließlich war auch das vorüber. Der Kehraus war vorbei, das große Reinemachen war beendet, nun konnten die neuen Gäste kommen. Nur – sie kamen nicht! Es war alles für sie bereit – man würde ihre Spargelder den Zeiten entsprechend hoch verzinsen. Die neuen Aktienausgaben der Werke versprachen die schönsten Gewinnaussichten – aber sie kamen nicht. Sie wollten nicht Zinsen, noch Gewinn. Sie hatten kein Vertrauen mehr – sie blieben aus.
Alsobald verbreitete sich die Redensart von der ungeheuerlichen Aufblähung des Apparats. Die Inflation war eine Aufblähung des Geldmarkts gewesen (ein sehr schöner, ja, ein richtiger Vergleich für eine übelriechende Sache), die Banken hatten sich mit aufgebläht – nun wurde abgebaut! (Dieser Vergleich war nicht ganz so gut. Abbauen kannte man früher weniger, dafür sagte man Einreißen. Abbauen aber klang besser. Jede Zeit hat die Redensarten und Fachausdrücke, die sie verdient.) Also auf zum Abbau!
Unvermeidlich kam der Tag, an dem Heinz Hackendahl zum Personalchef gebeten wurde. Das Vorzimmer des Personalchefs war dicht gefüllt, alle drei Minuten ging die Tür zu seinem Büro auf, und die Stimme der Sekretärin flötete: »Der nächste Herr bitte!«
Es wurde gewissermaßen im Akkord
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