Der eiserne Gustav
scheußlich teures Zeug …
Sein Gewissen ist nicht rein, als er den Laden verläßt. Jetzt, da der Kauf geschehen ist, kommen ihm Bedenken: Was wird Irma sagen? Schließlich sind sie nicht so gestellt, daß sie über fünfzig Mark für eine Spielerei ausgeben können … Es ist keine Spielerei! sagt er in Gedanken bereits vorwurfsvoll zu Irma. Es ist eine ganz große Sache …
Dann kommt er zu Haus an. Er ist sehr gespannt, was Irma sagen wird, genauer: ein wenig ängstlich. Denn das stürmische Wetter, das ihren Eheantritt begleitete, ist ihnen treu geblieben: Sie streiten viel, freilich ohne Bosheit.
Aber Irma sagt nichts, als er kommt, denn Irma ist nicht da. Wahrscheinlich bei ihrer Mutter … Er ist ja ein paar Stunden früher als sonst nach Haus gekommen, es ist alles in bester Ordnung, trotzdem es natürlich schöner wäre, wenn er Irma sofort alles hätte erzählen können. Sie brauchte auch nicht ewig bei ihrer Mutter zu sitzen …
Als sie dann aber ankommt, hat er es gar nicht eilig, mit ihr zu sprechen. Im Gegenteil, er ruft unwillig, als sie die Tür ein wenig laut zumacht: »Leise doch, Irma! Bitte – ich glaube, ich hatte eben was! O Gott, die Uhr tickt viel zu laut – bitte, Irma, steck doch mal den Wecker unters Kissen!«
»Nanu«, sagt sie verblüfft und starrt ihren Gatten an, der da an einem komischen Apparat sitzt, Kopfhörer über den Ohren, und zwei grüne Drahtkreise leise gegeneinander bewegt.»Was ist denn nun kaputt?! Wieso bist du denn schon zu Hause? Es ist doch noch nicht vier …«
»Radio!« antwortet er geheimnisvoll. »Ich hatte eben schon was … Ich glaube, es muß Nauen gewesen sein … oder Paris … O Gott, Irma, bitte, setz dich hin, lauf nicht so rum, ich höre ja nichts …!«
Sie starrt ihn an, Zweifel, Besorgnis bewegen sie. »Bist du krank geworden, Heinz?« ruft sie ängstlich. »Bist du darum nicht auf der Bank?«
»Gekündigt!« murmelt er. »Das heißt, erst einmal drei Monate Urlaub. – Ach, Irma, bitte, wenn du dich einen Augenblick ganz ruhig hinsetzen wolltest – ich erzähle dir gleich alles …«
»Gekündigt …«, sagt sie und setzt sich wirklich. Starrt ihn an. »Und du …«
Sie ist ganz hilflos.
»Nicht schlimm!« murmelt er. »O Gott, müssen die grade jetzt ihre verdammte Wasserleitung nebenan laufen lassen! Und ich hatte … Irma … da!«
Sein Gesicht strahlt. Vorsichtig löst er die eine Muschel aus dem Kopfhörer. »Bitte, Irma, komm mal! Auf den Zehenspitzen! Halte das ans Ohr, ja? Hörst du es? – Hörst du es …?! Das ist Musik, merkst du, ich glaube, sie spielen Wagner, es wird aus Nauen kommen, oder vielleicht auch aus England, ich weiß das noch nicht, ich kriege das noch besser raus! – Du hörst es doch auch, nicht? Bitte, Irma, kuck mich nicht so blöd an, Radio, du weißt doch, du hast doch auch davon gelesen, Musik aus dem Äther, sie senden es in Nauen und Paris und London, überall, Radio …« Er buchstabiert es leise, während er immer weiter horcht, sein Gesicht strahlt …
»Na natürlich!« sagt sie, viel zu laut. »Ist doch klar, Mensch! Radium – womit sie einen bestrahlen … Aber sag mir um Gottes willen, Heinz, wieso machst du jetzt hier Radium …«
»Radio! Radio ist ganz was anderes als Radium!«
»Wieso machst du hier Radio, wo du auf der Bank sein mußt?! Wieso bist du gekündigt? Wieso hast du Urlaub?«
»Da! Nun ist es wieder weg! Kannst du nicht ein bißchen aufpassen? Na, ich kriege es schon wieder … Also hör zu, Irma. Gekündigt bin ich wirklich, aber erst zum Juli. Und bis dahin brauche ich nicht mehr hinzukommen. Ich habe Urlaub, denke doch, Irma, ein Vierteljahr Urlaub! Und mit vollem Gehalt!« Strahlend schlägt er auf seine Tasche. »Denke doch, Irma, fünfhundertvierzig Eier … Das heißt«, unterbrach er sich, »ich habe mir den Radioapparat davon gekauft, dreiundfünfzig Mark, eine großartige Sache …«
»Was?!« sagt sie empört. »Über fünfzig Mark für das Zeug?«
»Du mußt bedenken, es ist Radio! Musik einfach durch Luft und Wände!«
»Quatsch! Hättest du lieber ein anständiges Grammophon gekauft und ein paar Platten. Das Ding knackt ja ewig in den Ohren! – Wagner sagst du? Dabei war es der Walzertraum von Strauß! Oder ist der von Lehár?«
»Es war die ›Tannhäuser‹-Ouvertüre!«
»Ich hab’s deutlich gehört! Sie singt: ›Und ich hab sie ja nur auf die Schulter geküßt …‹«
»Das ist ja überhaupt aus der ›Fledermaus‹ …«
»Na ja, ich sage doch
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