Der eiserne Gustav
kund, den Bruder zu sprechen …
Einen Augenblick starrten die beiden einander an, die feindlichen Brüder …
Heinz dachte etwas ganz Überflüssiges. Er hat wieder einen Zylinder auf, dachte er. So’n Affe! Aber er war schon immer ein Affe!
Als hätte er dem Bruder nichts Schlimmeres vorzuwerfen als diese Affigkeit!
Dann schoben sich Menschen dazwischen, jemand ging durch die Drehtür, plötzlich war Erich verschwunden. Sehrlangsam und nachdenklich ging Heinz mit seinen Eilbriefen zur Post. Heute mache ich unter allen Umständen hier Schluß! sprach er drohend zu sich. Ich bin ein schlapper Hund! Ich bin feige! Ich kündige, ob Stempelgeld oder keines!
Aber er kündigte doch nicht, weil ihm nämlich gekündigt wurde. Bruder Erich hatte keinerlei Hemmungen, er hatte seinen Bruder nur einmal zu sehen brauchen …
»Sagen Sie mal«, sagte Herr Doktor Hoppe sehr schnarrend, »sagen Sie mal – ich höre, Sie heißen Hackendahl?«
»Jawohl, Herr Hoppe.«
»Wieso nennen Sie sich da Dahlhacke?! Hören Se mal!«
»Habe ich mich nie genannt«, sagte Heinz mürrisch. »Sie haben mich so genannt.«
»Sehr komisch! Wieso soll ich Sie denn Dahlhacke nennen, wenn Sie Hackendahl heißen? Wollen Sie mir das bitte mal erklären?«
»Wahrscheinlich haben Sie meinen Namen falsch verstanden …«
»Soso. Und wahrscheinlich haben Sie mich nicht verbessert, weil Sie nicht wünschten, daß ich Erkundigungen nach Ihnen einzog, was?«
»Und die haben Sie jetzt eingezogen – bei Herrn Hackendahl?«
»Wie reden Sie mit mir, junger Mann?! Ich bin Ihr Chef … Durch mich leben Sie!«
»Ich dachte immer, durch meinen Vater …«
»Junger Mann!«
»Hackendahl …«
Doch Herr Doktor Hoppe besann sich plötzlich. »Ich kann Sie nicht mehr brauchen«, sagte er mürrisch. »Bei mir ist alle Tage Ultimo. Sie sind heute für heute gekündigt und entlassen. Hier haben Sie Ihr Gehalt für diesen Monat. Tiedtke oder wer Zeit hat soll Ihre Papiere fertigmachen. Ziehen Sie Leine!«
»Guten Tag, Herr Hoppe«, sagte Heinz Hackendahl, unglaublicherleichtert. Es war geschehen, es war überstanden – nun mochte kommen, was wollte …
Zu einem war Erich doch gut: Erich war ein ausgezeichnetes Mittel gegen Feigheit.
10
Zwei Tage darauf legte Irma abends ihr halbfertiges Kinderhöschen aus der Hand, stöhnte leise und sprach: »Ich glaube, es ist soweit, Heinz!«
»Dann aber los!« sagte Heinz. »Wirst du denn noch laufen können?«
»Klar, Mensch!« Und sie gingen einträchtig zum Krankenhaus.
»Immer sachte mit der jungen Mutter«, sagte Irma. »Erst muß ich wissen, daß es wirklich soweit ist. Dies ist kaum mehr als kräftiges Leibweh.«
Und sie erzählte ihm noch einmal die blamable Geschichte ihrer Freundin, die sich mit schrecklichsten Wehen zum Krankenhaus fahren ließ und Mann, Mutter, Chauffeur in eine wahre Panik jagte, es könne noch im Auto passieren … Ins Krankenhaus einzog, eine Nacht wartete, einen Tag, acht Tage, vierzehn Tage, nach Haus ging, weil es noch lange nicht soweit war – und, kaum daheim angelangt, ihre Geburt erledigte …
»Ich würde mich zu Tode schämen! Nein, lieber warten wir noch ein halbes Stündchen!«
Sie gingen das halbe Stündchen, das zwei Nachtstunden dauerte, vor dem Krankenhaus auf und ab. Manchmal hielt sich Irma am Gitter fest, manchmal an einem Laternenpfahl, manchmal bloß an ihrem Mann …
»Zu dumm, daß man noch keine Erfahrung hat, Heinz!« klagte sie. »Wir hätten gut noch eine Stunde zu Haus bleiben können.«
»Einmal ist das erste Mal«, sprach Heinz weise. »Das nächste Mal weißt du schon besser Bescheid!«
»Aber ich hätte das Höschen noch fertig gekriegt!« meinte sie. »Das wäre dann auch noch in Ordnung gewesen!«
Heinz hatte ihr nicht gebeichtet, daß die Hauptsache nicht mehr in Ordnung war: die Stellung. Daß er arbeitslos war. Daß er an den letzten beiden Tagen statt auf der Bank, Besuche in seiner Stempelstelle gemacht hatte. Es war erstaunlich, wie viele Papiere man beibringen mußte, um zu beweisen, daß man arbeitslos war, daß man schuldlos arbeitslos war, daß man gewillt war, jederzeit Arbeit anzunehmen, daß man nicht aus reiner »Rentenpsychose« die knappe Unterstützung dem auskömmlichen Gehalt vorzog.
Es muß eine Hellsichtigkeit bei Ehefrauen geben, in seine Gedanken hinein fragte Irma: »Du, Heinz, das ist doch in Ordnung mit deiner Stellung?«
»Versteht sich!« log er kühn. »Wieso denn nicht in Ordnung?«
Sie sah ihn argwöhnisch
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