Der eiserne Gustav
an. »Du kommst mir so vergnügt vor die letzten Tage!«
»Na, erlaube mal, denkst du, ich wäre vergnügt, wenn ich keine Stellung mehr hätte?!«
»Heinz, mach keinen Quatsch, wenn ich jetzt drin bin!«
»I wo! Aber ich glaube, wir gehen jetzt besser rein!«
»Noch fünf Minuten! Ich will mich doch nicht blamieren!«
Sie schaffte es dann wirklich, daß sie Hals über Kopf, ohne Formalitäten und Personalien, aus dem Aufnahmezimmer weggeschleppt wurde. Das letzte, was Heinz »vorher« noch von ihr hörte, war: »Siehst du, Heinz, ich bin nicht zu früh gekommen!«
»Na, wissen Sie, Jüngling«, sagte die Oberschwester in der Aufnahme bärbeißig, »ein bißchen früher ging es wohl nicht? Da hat Sie wohl das Fahrgeld gereut?«
Aber Irmas Methode hatte doch das Gute, daß er keine schlaflose Nacht vor sich hatte. Die Papiere waren noch nicht ausgefüllt, da kam schon eine Schwester: »Alles erledig, junger Vater! Ich gratuliere auch!«
»Nanu!« sagte er ganz verblüfft. »Ist das aber schnell gegangen! Hätt ich nie gedacht! Was ist es denn?«
»Wird Ihnen die junge Mutter morgen sagen. Jetzt rücken Sie hier lieber … Es ist schon nach Mitternacht!«
Aber obwohl es nach Mitternacht war, ging Heinz nicht nach Haus. Er fand das Wetter gerade richtig für einen längeren Spaziergang. Es näherte sich der Frühling, was meist besonders unangenehmes Wetter heißt. Ein schneidender Wind wehte ihm bald Schnee, bald Regen ins Gesicht, und trotzdem langte ein sehr aufgeräumter Heinz bei den kleinen Papierladen an und erschreckte die Witwe Quaas tödlich durch Trommeln auf die Fensterscheiben.
Dann, als ihr klargeworden, es war kein Einbrecher, sondern bloß der Schwiegersohn, erschrak sie wieder über die Botschaft, sie sei nun Großmutter. Sie hantierte drinnen mit zitternden Händen an ihrem Schlafrock, er stand draußen. Er sollte hereinkommen, aber er wollte nicht.
»O Gott, o Gott, du bist so komisch, Heinz!« jammerte sie. »Es ist doch nichts mit Irma?! Trink doch wenigstens einen Kaffee! Wann war es denn?«
»Nach zwölf, Quaasin!« sprach Heinz. »Und wir hätten es beinahe auf der Straße abgemacht!«
»Nein, herrje! Komm doch wenigstens rein und trink einen Kaffee! Du holst dir ja den Tod in dem Winde! Ach Gott, nun habe ich dich noch gar nicht gefragt. Junge oder Mädel?«
»Es war noch nicht festgestellt, Schwiegermutter!« rief der Schwiegersohn aus der dunklen, heulenden Nacht. »Sie warteten noch auf den Arzt. Morgen mittag, nein, heute mittag werden sie’s raus haben.«
Er entrann ins Dunkel, er meinte, noch lange ihr Jammern zu hören, aber es war wohl nur der Wind, der in Fugen, Ritzen und Schlüssellöchern heulte.
In der Wexstraße brauchte er nicht in die Wohnung hinauf, im Stall brannte schon Licht. Der Vater, der beim Rappen gesessen, wandte langsam nach dem eintretenden Sohn den Kopf und hörte stumm den Bericht.
Auch er fragte: »Ein Junge?«, aber ihm wurde gesagt, daß der Sohn es noch nicht wüßte.
»Es is ooch ejal«, sagte der Vater. »Dienen müssen se doch nich mehr – es is janz ejal, ob Junge oder Mächen, es is heute allens eene Wichse! Freuste dir …?«
»Natürlich, Vater.«
»Natürlich – komisch, wenn de bedenkst, det ick mir auch mal über euch jefreut habe. Det verstehste heute sicher ooch nich mehr, det man mal so dusslig war.«
»Deswegen freu ich mich heute doch, Vater.«
»Logisch, weil de denkst, du bist ne janz andere Sorte Vater. Na, laß man, ick will dir nich ärjern. Ick will dir wünschen, det dir dein Kind nich mehr antut, als du mir anjetan hast. Denn kannste jroß zufrieden sind.«
»Danke schön, Vater. Und nun will ich sachte nach Haus und noch ein paar Stunden schlafen. Ich habe für heute noch viel vor.«
»Wat haste denn vor? Mußte auf deine Stelle oder läßte dir Urlaub jeben?«
»Meine Stelle – na, Vater, dir kann ich’s ja sagen, Irma weiß noch von nichts. Meine Stelle habe ich nicht mehr, da haben sie mich vor drei Tagen rausgesetzt.«
»Nee, so was!« wunderte sich der Alte. »Det ooch immer allens Unglück zusammenkommt. Da biste wohl in Druck? Wülste stempeln jehn?«
»Muß erst mal sehen. Gerne nicht.«
»Soll ick mal bei der Sophie fragen? Die kann vielleicht wat für dich tun. Die is janz jroß mit ihre Klinik. Ick jloobe, die jehört ihr überhaupt.«
»Nee, laß man lieber, Vater. Mit Sophie bin ich nie gut zurechtgekommen.«
»Recht haste: Verwandtschaft alleene is schon schlimm jenug! Und denn noch
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