Der eiserne Gustav
Takt zu hupen …
»Die Berliner Chauffeure bringen Ihnen ein Ständchen!« schreit Grundeis in Hackendahls Ohren. »Hören Sie nicht: ›Muß i denn, muß i denn zum Städtelein hinaus …‹?«
»Nich de Bohne!« schreit Hackendahl zurück. »Det is doch: ›Wem Jott will rechte Junst erweisen!‹ Det is doch jenau zu hören! Mensch, sind Sie aber unmusikalisch!«
Der Lärm wirkt ansteckend. Wie rasend bimmeln die Elektrischen, die Jungen pfeifen auf zwei Fingern, die Menschen schreien sich lachend an, Fetzen des Marsches, den die Kapelle spielt, wirbeln durch den Tonsalat. Mit zornroten Gesichtern rennen die Schupos herum und brüllen die Chauffeure, diese Unruhestifter, an.
Den Zylinder schwenkend, fährt der alte Hackendahl durch den Trubel. Allmählich schwillt der Lärm ab, die Kapelle bläst noch einen Tusch. Hackendahl tippt den Braunen mit der Peitsche an. Grasmus fängt an zu traben, und sich umdrehend, fragt Hackendahl: »Na, Herr Jrundeis, wie is’t? Fahren Se noch mit? Bis jetzt waren Se mein injeladener Jast, aber von nu an heeßt et Taxe …«
Und damit drückt er auf den Hebel der Taxuhr, das Frei-Schild verschwindet, und wie eine simple Droschke fahrensie nun durch die Stadt. Tausendmal ist der Alte so gefahren, heute hängt ein bißchen Grün am Wagen, und hinten ist ein Schild, das die Leute nicht sehen oder zu spät sehen …
»Bis Potsdam müssen Sie aber heute noch kommen«, sagt Grundeis mahnend.
»Potsdorf?! Ick fahr heute bis Brandenburch, Herr Jrundeis«, sagt Hackendahl voller Verachtung. »Da würde ick ja schön spät nach Paris kommen, wenn ick heute schon in Potsdorf in de Falle kriechen wollte.«
Der Braune trabt schneller.
»Der denkt, det jeht nach Haus. Det jeht ooch nach Hause, Grasmus, aber denn noch’n Ende weiter. Haste schon mal von Paris jehört, Grasmus? Faule Jejend, die Jäule sollen da nur Mais kriegen, Grasmus!«
»Warum nennen Sie den Gaul eigentlich Grasmus, was heißt denn das?«
»Weeß ick nich. Det steht uff ’m Zettel vom Verkäufer!«
»Grasmus?«
»Natürlich, haben Sie wat jejen den Namen? Er macht ebent aus Gras Mus.«
»Halten Sie an, Hackendahl! Mir wird schlecht! Erasmus hat da sicher gestanden.«
»Weeß ick nich. Wat heeßt denn Erasmus?«
»Erasmus war ein frommer Mann.«
»Nee, nee, Rotkopp, da bleib ick lieber bei Grasmus. Fromm und denn nach Paris – det is nich! Aber, Herr Grundeis, die Droschke sieht nach jar nischt aus, die Leute kieken sich überhaupt nich nach um.«
»Na ja, hier sind sie Droschken noch gewöhnt. Seien Sie erst mal draußen …«
»Nee. Nee, det muß’n bißcken nach wat aussehn. Und ick weeß ooch schon, wat ick tue …«
So hält er denn vor dem Laden der Witwe Quaas und kauft den gesamten Fahnen-und Fähnchenvorrat auf. »Det haben Sie zu zahlen, Grundeis. Det sind Unkosten, laut Vertrag.Wat, Frau Quaas, wie is’t, wollen wir hier noch einen scherbeln, als der Schwiegervater die Schwiegermutter nahm …?«
»Herr Hackendahl, Sie sind doch sonst ein ernster Mann …«
»Heute nich. Heute jeh ick uff Reisen. Heute fahr ick nach Paris. Is der Heinz da? Natürlich nich! D. u.: dauernd unterwejens. Und grüßen Sie ihn schön, er soll machen, det det anders hier aussieht, bis ick wiederkomme. – Irmchen? Irmchen is plätten? Tüchtige Frau! Können Se ooch von mir grüßen! Nee, warten tu ick nich mehr. Ick habe det eilig nach Paris. Feste anmachen die Fahnen, Rotkopp! Det soll doch ’ne Weile halten. Und in jede Stadt, wo ick komme, koof ick mir ’ne Stadtfahne zu. So wat muß doch’n bißken jefällig aussehn. Da muß man ebent Sinn for haben. Ansichtskarten jefällig? Der varrückte Droschkenkutscher mit de varrückte Idee Berlin – Paris – Berlin, Stück’n Jroschen. Een janzer Lackpott voll Varrücktheit und was daruntersteckt for’n Jroschen …«
»Der Mann ist ganz durchgedreht«, piept die Witwe Quaas.
»Nu man weiter!« mahnt Grundeis. »Sie wollen doch noch bis Potsdam.«
»Bis Brennabor, Rotkopp!« sagt Hackendahl, fährt aber wirklich los. Dann dreht er sich um. »Wissen Se, Herr Jrundeis, wenn det erst überstanden wäre, jetzt mit Muttern! Mutter denkt immer, ick halt es nich durch. Ick komm nich wieder, sagt se. – Jott, da steht se!«
Wirklich, da steht sie, am Rand des Bürgersteigs. Eigentlich steht Mutter nicht, sondern sie sitzt auf einem Sack Hafer, der hier eingeladen werden soll, gewissermaßen als eiserne Ration für Grasmus.
Um Mutter stehen viele Menschen. Und
Weitere Kostenlose Bücher