Der eiserne Gustav
Grundeis.
»Vater muß wieder werden«, sagte der von seinem Herzen überwundene Heinz, »den Spaß soll er doch noch haben!«
»Ich hätte Vatern die Fahrt doch so gegönnt!« weinte die Mutter.
»Er kommt bestimmt durch«, sprach Irma. »Den bringt nichts um.«
Weene nich, gräm dich nich, in Paris, da siehste mich nich, lächelte der alte Hackendahl im Schlaf.
8
Vor dem Haupteingang des Zeitungshauses hielt die festlich geschmückte Droschke Nummer 7. An ihrer Hinterseite war eine große Tafel befestigt:
Gustav Hackendahl
der älteste Droschkenkutscher Berlins
fährt in dieser Droschke
Berlin – Paris – Berlin
Eine Kapelle spielte, Neugierige blieben stehen, lasen, lachten, gingen weiter, der Braune Grasmus versuchte teils mit, teils ohne Erfolg, seine Blumenzier aufzufressen, aber vom Droschkenkutscher selbst war nicht das geringste zu sehen.
Der war noch im Zeitungshaus und nahm Abschied.
Herr Direktor Schulze gab ihm die Hand und wünschte Hals-und Beinbruch. »Und denken Sie daran, wieviel wir …«
Er hatte sagen wollen: »Wieviel wir in Sie reingesteckt haben …«
Aber angesichts des festlichen Kreises bezwang er seinen niederen Geldsinn und sprach: »… wieviel wir von Ihrer Gesundheit erwarten!«
»Det is allens wieder im Lote«, sprach der eiserne Gustav unerschüttert. »Nehmen Se ooch ’ne Postkarte, Herr Direktor? ’nen Jroschen det Stück.«
Schneeweiß und zitternd überwachte Grundeis seinen Schützling. Wie benahm er sich? Wirkte er? Hätte man den Vollbart nicht doch kürzen müssen? Übertrieb er es nicht mit dem Ansichtskartenverkauf?
Ach dieser Mann, dieser alte Mann – er fuhr in die Welt, und in seine Fahrt waren Glück und Erfolg des jungen Menschen einbeschlossen! Und er ahnte nichts davon! Er dachte nur an sich! Wahrhaftig, nun drehte er Herrn Generaldirektor Klotzsche ein ganzes Dutzend Ansichtskarten an und weigerte sich, das Dutzend billiger zu geben!
Er übertrieb es wahrhaftig! Und wie würde es erst in Paris gehen?! Fremde Sprache, fremde Menschen! Oh, hätte ich mich nie darauf eingelassen!
Aber vielleicht war er gerade gut? Hier lachten alle! Alle sahen den alten Mann in seinem blauen Kutschermantel mit dem weißen Lackzylinder freundlich an. Vielleicht hätte man die Sache doch größer aufziehen sollen? Auf der Straße waren viel zuwenig Neugierige, die meisten hatten es doch wohl für einen Aprilscherz genommen. Aber das goldene Leghuhn war gegen alle Vorschußlorbeeren gewesen …!
Grundeis schwitzte, wurde bleich, rot, ach, er hatte viel mehr Angst als der Weltreisende!
Nun wurde dem noch ein Blumenstrauß überreicht. (Wie wird er sich benehmen?) Es ist die Sekretärin vom Herrn Generaldirektor, die es tut, ein hochwichtiges Frauenzimmer! (Man hätte ihn warnen müssen. Ach, dieser ahnungslose Knabe, man kann ihn nicht vor allem warnen, was ihm auf der Fahrt geschehen wird!)Gustav Hackendahl starrt abwechselnd Strauß und Spenderin an. »Wat soll ick denn damit?« fragt er. »Wat denn? Blumen? Frißt mein Zosse nicht. – Da nehmen Sie’n!«
Und schon hat Grundeis den Strauß.
Gott sei Dank! Ein erster großer Heiterkeitserfolg, alle sind erfreut, die Vorgesetzten lächeln, die Untergebenen lachen. Ausgezeichnet!
Es naht das goldene Leghuhn, fetter und kummervoller als je. Er schüttelt dem eisernen Gustav die Hand, würdevoll, als kondoliere er mit tiefempfundenem Beileid. Was fragt der Hund, der hinterlistige – will er dem alten Mann ein Bein stellen?
»Parlez-vous français?«fragt er.
Und »Yes!« antwortet unerschüttert Gustav Hackendahl.
Brüllendes Gelächter.
Heiter zieht der Zug von Zimmer zu Zimmer, der Ansichtskartenverkauf geht blendend. Die erste ahnungsvolle Autogrammjägerin naht …
»Wat denn, Frollein? Wat denn? Meinen Namen soll ick Ihnen uffschreiben? Zu wat denn? Det Sie nachher drüber schreiben, Sie haben mir hundert Piepen jeborgt, wat? Nee, so doof is der eiserne Justav nich! Heh, Sie, Rotkopp, schreiben Sie mal hier Ihren Friedrichwillem hin, Sie passen ooch besser zu ’ne junge Dame!«
Wiederum gut! Nein, er ist wirklich nicht doof, der alte Hackendahl, er findet sich in die Situation. Er ist nicht ängstlich, er weiß, was sie von ihm erwarten. Nur keine Feierlichkeit – ein bißchen Spaß, sie lachen so gerne, sie sind jedem dankbar, der sie zum Lachen bringt. Nun also, werden wir lachen …
»Warten Sie doch! Drängeln Se nich so, junger Mann!« wird Grundeis angefahren. »Ick komme noch zeitig
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