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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gleichen einander, alle Toten gleichen einander. Traurig ist er nur über die unendlich vielen Toten, daß aus soviel Opfer und Mut nichts wurde als Zusammenbruch, Elend, Streit …
    Langsam fährt er weiter. Noch nie ist er sich so alt undverbraucht vorgekommen wie gerade jetzt, ein Alter, ein noch Lebender zwischen Millionen Jungen, schon Toten.

13

    Am 4. Juni, zwei Monate und zwei Tage nach seiner Abfahrt aus Berlin, hält Gustav Hackendahl Einzug in Paris Er hält wahrhaftig Einzug – Paris empfängt ihn wie einer Fürsten.
    Die jubelnden Begrüßungen seiner Fahrt durch Deutschland wiederholen sich, die Pariser können sich nicht genugtun in Ehrungen des alten Mannes. Die Straßen sind übervoll, die Pariser Droschkenkutscher empfangen den Berliner Kollegen, die Pariser Studenten spannen ihm Grasmus aus und ziehen die Droschke im Triumph durch die Stadt Auf dem Bock thront der alte Hackendahl, im Fond sitzt der junge Grundeis.
    Alles ist lachend, beschwingt, übermütig, es ist doch nicht so wie in Deutschland! Hier grüßen sie nicht den alten Mann der schlimme Zeiten überdauerte, ohne den Mut zu verlieren, hier ist es Sport, hier ist es Verbrüderung: Die Fahrt selbst ist es und das fremde Volk, das man grüßt, ehrt.
    Es gibt feierliche und übermütige Diners, der junge Grundeis hat ausgezeichnet vorgesorgt. Empfang beim Botschafter, Empfang bei der englisch-amerikanischen Presse, feierliche Ansprachen, aber auch lachende Mähler mit den Studenten. Die Überreichung des Goldenen Ehren-Hufeisens, an der Kette um den Hals zu tragen. Grasmus darf im Saal stehen und zuschauen, in einer Porzellankrippe wird ihm ein vielgängiges Haferdiner serviert …
    Hackendahl blüht auf, der Alterstrübsinn verschwindet, sein Ruhm erstrahlt von neuem. Er dichtet den Vers: »Was Lindbergh mit dem Flugzeug hat vollbracht, hat der eiserne Gustav mit der Droschke auch gemacht!«
    Aber Grundeis übertrumpft ihn; alle Zeitungen bringen das Bild des jungen Redakteurs. Er sitzt in der Droschke sieben.Darunter steht die Unterschrift: »Wie ich von Berlin nach Paris komme, Kollege? Ich nehme mir einfach ’ne Droschke!«
    Gelächter, Jubel und Trubel. Zwei Zentner Sträuße im Hotelzimmer. Geschenke über Geschenke. Andenken für Muttern aus Paris. Regimenter von Champagnerflaschen. Der Siebzigjährige steigt in ein Flugzeug, sieht sich die Welt von oben an. Er macht alles mit, unverwüstlich, lachend …
    Etwas Besonderes …? Etwas ganz Besonderes …?!
    Bei einem übermütigen Frühstück wird der Gedanke geboren: Wettfahrt zwischen dem ältesten Berliner und dem ältesten Pariser Droschkenkutscher. Die Strecke geht über dreihundert Meter.
    Großartig!
    Nur großartig? Bedenken kommen. Wer soll gewinnen? Wer darf gewinnen? Die Gefühle sind noch so leicht verletzlich: Darf der Deutsche den Franzosen schlagen, besiegen, hier in der Hauptstadt Frankreichs? Unmöglich! Aber darf der Gast besiegt werden, er, der Siebzigjährige, der tadelfrei eine solche Leistung vollbracht hat? Ebenso unmöglich!
    Endlose Beratungen. Verschwörungen – Beschwörungen. Schließlich die Lösung, streng geheim, durch Schwüre besiegelt: Die Gegner werden ehrenwörtlich verpflichtet, gleichzeitig ans Ziel zu kommen …
    »Sehn Sie’s ein, Hackendahl, es geht nicht anders! Blamieren Sie uns nicht! Zügeln Sie Grasmus! Bedenken Sie, unser Botschafter … Die französische Nation … Es könnte Konflikte geben, die diplomatischen Beziehungen der beiden Länder, offiziell ein wenig gebessert … Sie sehen es ein?«
    Hackendahl sieht es ein, er gibt sein Ehrenwort.
    Der andere gibt auch sein Ehrenwort.
    Das Marsfeld ist abgesperrt, zu Tausenden stehen die Neugierigen, von den Blauen in Schranken gehalten, viele Studenten mit ihren Mädchen. Sie jubeln, als die beiden Gegner auffahren, diese Gefährte aus alter Zeit, und ringsum parken die Autos! Sie jubeln den beiden zu; der eine zieht seinen schwarzen Lackhut, der andere den weißen Zylinder. Nebeneinanderfahren die beiden Wagen auf, Hackendahl mit Grasmus, der Gegner mit einem knochigen, langbeinigen Schimmel … Die Wetten für Deutschland stehen günstig …
    Grundeis beschwört noch einmal Hackendahl: »Sie wissen, was Sie versprochen haben!«
    »Wenn Se ooch eenmal mit Jrasmussen reden wollten, Herr Jrundeis! Er is so übermütig! Die jeben ihm zu fressen und zu fressen, und aus’m Stall kommt er nich. Ick kann ihn kaum halten …«
    »Blamieren Sie uns nicht, Hackendahl! Ich beschwöre Sie

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