Der eiserne Gustav
jrün anjestrichenen Affen zeijen, denn loofen die jenauso wie nach mir!«
»Sagen Sie das bloß nicht, Hackendahl! Das wissen Sie ganz gut, was Sie geleistet haben! Und was Schönes haben Sie doch auch in den letzten Monaten vor sich gebracht! Für Ihren Lebensabend müssen Sie sich nicht sorgen!«
»Ach wat, Lebensabend! Ick brooch keenen versorchten Lebensabend! Ick bin froh, wenn ick wieder Droschke fahren kann! Janz richtig – wie früher. Inkognito, verstehn Se! Det Kognito ha’ick über!«
»Hackendahl, Mensch, eiserner Gustav, seien Sie doch noch einmal eisern! Sehen Sie sich in den Zeitungen das Empfangsprogramm an, da werden Sie schon anderer Stimmung werden!«
Hackendahl schießt ihm einen schiefen, bösen Blick zu. »Reden Se bloß nischt von Zeitungen! Mit de Zeitungen bin ick böse! Wat die allens über mir schreiben!«
»Aber wieso denn? Was wird denn Böses von Ihnen geschrieben?«
»Ach, reden wa nich davon! Aba et hat mir mächtig jejiftet.«
»Na, was denn? Nun mal raus damit, Hackendahl.«
»Det ick zu fein für Droschke jeworden bin, det ick im Auto von Paris nach Hause jefahren bin, det haben die jemeinen Hunde von mir jeschrieben«, bricht es aus Hackendahl. »Sie nich, Jrundeis, det weeß ick, Sie machen so’nen faulen Zauber nich mit! Aber die andern! Ick will Ihnen saren, wie es jewesen is. Ick habe mir festjesetzt bei einem Schoppen, die Jungens wollten mir durchaus nich weglassen. Und da hat sich een Kolleje erboten, is mit de Droschke vorausjefahren, det ick doch mein Tagespensum mache. Und die ham mir ins Auto nachjefahren – zwei Stunden weit. Un nu soll ick zu fein für Droschke sind! Zwei Stunden ins Auto und über fünf Monate in de Droschke – zu jehässigsind die Leute! Man mag jar nischt mehr tun, es wird doch nischt anerkannt!«
Der junge Grundeis hätte lachen und weinen mögen über den Greis, der nicht nur müde, nein, vor allem in seiner Eitelkeit verletzt ist. Der alte Mann ist wie ein großer Junge, er schmollt …
Aber Grundeis darf nicht weinen, auch nicht lachen. Der Empfang, der große, ehrenvolle Empfang, für den ihm die ganze erste Zeitungsseite freigehalten wird, steht auf den Spiele! In seiner jetzigen Stimmung ist der eiserne Gustav imstande, eisern hintenrum nach Haus zu fahren und die Leute auf sich warten zu lassen.
So redet Grundeis denn mit Menschen-und Engelszungen, er streichelt die wunde Eitelkeit, und schließlich gelingt es ihm, den alten Mann wieder in Gang zu bringen. Nicht die großen Ehren locken ihn, keine Musikkapelle, kein Festessen, kein Ehrentrunk, nicht der Empfang durch den Bürgermeister …
Aber daß er zum Schluß der Fahrt dorthin gehen kann, von wo er ausgegangen ist, auf jenes Stadtbüro, dessen Beamter mit lieblosen Reden den ersten Stempel in das Fahrtenbuch gedrückt hatte, das versöhnt ihn, das macht ihm Laune und Appetit: Das ist doch das Allerschönste!
»Mensch, Rotkopp – da ham Se recht! Ick war ja’n Dussel, wenn ick dem Bruder det schenkte! Will der mir angrobsen, von wejen ville Arbeit und Dummheiten! Dem wer ick det aber zeijen! For wat zahl ick denn meine Steuern?! Der lebt doch von mir, so’n Bruder! Dem will ick det aber zeijen, wie er mir zu behandeln hat! Ick freu mir, Rotkopp, jetzt freu ick mir noch einmal wirklich!«
15
Ja, es wäre doch schade gewesen, wenn Hackendahls trübe Stimmung ihn um seinen Berliner Empfang gebracht hätte. Die Berliner hatten gelesen, wie ihr Landsmann in Dortmundund Köln, in Paris und in Magdeburg empfangen worden war, und da konnten sie sich natürlich nicht lumpen lassen. Wie immer in solchen Fällen übertrieben sie es ein bißchen: dreihunderttausend Menschen, von denen vor einem halben Jahre kaum einer daran gedacht hätte, auch nur eine Mark an eine Fahrt in dieser Pferdedroschke zu wenden, jetzt waren sie auf den Beinen und wendeten einen halben Arbeitstag an den Mann. Die Schupo war vollzählig angetreten für Absperrungen, Verkehrsregelung und Bändigung der Massen – es war wirklich eine schöne Sache! Hinterher hätte es dem eisernen Gustav leid getan, wenn er hintenrum gefahren wäre …
Aber er fuhr nicht hintenrum, mittendurch fuhr er. Die Charlottenburger Chaussee war schwarz von Menschen, am Großen Stern standen sie wie die Mauern, und Unter den Linden war eigentlich nur für einen ein Durchkommen, und der hieß Gustav Hackendahl.
Da fährt er dahin, die Linden entlang – alle Menschen jubeln ihm zu. In seinen kühnsten Träumen, als er noch
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