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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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seinem Leben, denAbstieg von Wohlhabenheit zur täglichen Sorge um das tägliche Brot mit demselben Gleichmut hin, mit dem er das Wetter erträgt. Will ein Gast ganz nach Reinickendorf gefahren werden, so sagt er: »Jawoll, machen wir, Herr. Bloß unjeduldig dürfen Sie nicht werden!«
    Und er läßt den Schimmel laufen. Er läßt ihn dazwischen auch Schritt gehen, der Fahrgast mag ruhig lamentieren, Gustav wird nicht ungeduldig.
    »Wären Sie ’n Pferd jeworden, Herr, würden Sie bei dem Futter ooch nich loofen«, sagt er bloß. »Seien Sie froh, daß Sie den Wagen nicht ziehen müssen und der Schimmel sitzt drin. Es hätte auch so kommen können, Herr!«
    Der Fahrgast lacht. Und ein lachender Fahrgast ist zufrieden. Gustav Hackendahl ist auch nicht unzufrieden, alles ist so, wie es ist. Er fügt sich in den Abstieg, er will wieder ein richtiger Droschkenkutscher werden. Als der Aufstieg kam, gab er sich Mühe, ein gutes Deutsch zu sprechen, er wollte seinen Kindern keine Schande machen. Aber jetzt fängt er an zu berlinern. Seine Fahrgäste hören das gern. Es muß eben alles seine Ordnung haben, auf Ordnung besteht er weiter, im Hause, bei Frau und Kindern, im Stall. Im Großen kann man sich fügen und nachgeben, im Kleinen muß es bei der Ordnung bleiben, die dem Leben Halt gibt.
    So sitzt er auf seinem Bock und sieht vieles, ohne gesehen zu werden. Denn einen Droschkenkutscher auf seinem Bock sieht kein Städter, der Droschkenkutscher an seiner Haltestelle gehört zur Stadt Berlin wie die Litfaßsäule und die Gaslaterne.
    Hackendahl sitzt oben, und unten sieht er Eva kommen. Eva müßte es besser wissen als die anderen Städter, denn sie hat einen Droschkenkutscher zum Vater. Aber Eva hält den Kopf gesenkt und sieht den Vater nicht. Sie sieht ja nicht einmal den jungen Mann mit dem bräunlichen Teint an, der so eifrig auf sie einredet.
    Kopfhängerisch wie der Schimmel, denkt Hackendahl. Die hat auch ihren Knacks weg!
    »Jühü!« sagt er zum Schimmel und schnalzt mit der Zunge. Der Schimmel zieht an, und sachte fährt die Droschke hinter den beiden her. Mal sieht Hackendahl den Jüngling nur von hinten, mal von der Seite. Der Schimmel ist ganz einverstanden, die Fahrt geht hübsch pomade. Hackendahl hat beim Alexanderplatz gehalten, jetzt geht der Spaziergang nach dem Schlesischen zu – nun, man wird ja sehen!
    Äußerlich ist der Jüngling nicht übel anzusehen, das gibt Hackendahl zu. Er ist fein in Schale, und soweit er was vom Gesicht abkriegt, ist das auch nicht ohne. Aber im ganzen mißfällt dem alten Hackendahl dieser junge Mann höchlichst, denn einmal: Wieso läuft so ein Jüngling mit graden Knochen heute ohne Uniform in Berlin herum?! Und zum anderen hat der Junge so ’nen fetten Steiß …
    Das Pärchen geht immer ganz tutig nebeneinander. Jetzt die Lange Straße runter. Fiese Gegend für Liebespaare, denkt Hackendahl. Aber der Bruder ist ja auch fies.
    In der Hauptsache redet der Jüngling, merkt Hackendahl, Evchen sagt fast nie was. Aber der junge Mann redet auch nicht viel, sondern latscht meist nur so nebenher: Viel Neues haben sich die auch nicht mehr zu erzählen, schließt Hackendahl. Einmal legt der junge Mann seine Hand sachte um Evchens Oberarm; das könnte nun Zärtlichkeit sein, aber aus dem Zusammenzucken Evchens schließt Hackendahl, daß es doch was anderes ist.
    Warte du! denkt Gustav, und der Schimmel bekommt einen Schmitz mit der Peitsche, daß er zu traben anfängt. Er wird aber sofort wieder in Schritt hineingezügelt.
    Nun haben sie schon ziemlich häufig die sattsam bekannten Schilder gehabt: »Pension oder Hotel Soundso, Zimmer von 1,50 Mark an, auch für Stunden!« Es ist nicht einzusehen, warum man die ganze lange Lange Straße hinunterläuft, bloß um in genauso einen Bums an ihrem Ende zu gehen, den man auch am Anfang hätte haben können. Aber die beiden machen es so. »Hotel Oriental« nennt sich der Laden, in dem sie verschwinden.
    Na schön, Hackendahl hat es nicht eilig. Er zieht die Bremse an, vertauscht das Frei-Schild an der Taxe mit dem Bestellt-Schild, klettert vom Bock und hängt dem Schimmel seinen Futterbeutel vor, in dem neben viel schlechtem Häcksel auch wenig guter Mais ist aus dem Rumänien, das uns vor kurzem auch den Krieg erklärt hat. Er nimmt aus der Droschke eine Decke und hängt sie sich über den Arm – hat man einer Dame was nachzubringen, dann muß man auch was nachzubringen haben, das weiß sogar Nauke.
    »Na, Mullecken«, sagt

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