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Der eiserne Gustav

Der eiserne Gustav

Titel: Der eiserne Gustav Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ewig ins Feld schickte, und die guten Fettigkeiten, die in den Päckchen waren, die waren Hamsterware, also teuer! Und wenn man auch zugeben mußte, daß weder Otto noch Sophie je um Geld schrieben, so war der Erich um so teurer. Ewig brauchte der Junge etwas: eine seidene Feldmütze, Eigentumsschuhe, eine Reithose aus Kordstoff. Dafür war er aber auch schon Offiziersstellvertreter und hatte einen Druckposten, in Lille, in der Etappe, und Mutter brauchte nicht in einem fort um ihn zu weinen.
    Nein, das Geld blieb nicht bei einem, es läpperte sich so weg. Trotzdem hätte man sich so weiter geholfen; es war ja Hauptsache, daß immer ein bißchen was in der Ladenkasse klapperte, dann richtete man sich schon ein.
    Dann aber war der Abend gekommen, da ein amtliches Schreiben anlangte: »Pferdenachmusterung, Vorführung sämtlicher Pferde, auch seit der letzten Musterung gekaufter, auch käuflich erworbener ausrangierter Militärpferde …«
    »Da muß ich ja bloß drüber lachen«, hatte Hackendahl gesagt. »Daß sie die Menschen nachmustern, das habe ich schon gehört. Aber nun auch die Pferde – na, laß sie! Wenn sie soviel überflüssige Zeit haben!«
    »Sie nehmen jetzt auch die Männer, die sie noch vor einem Jahr ganz untauglich geschrieben haben«, sagte Frau Hackendahl klagend. »Vater, wenn sie uns nun auch die Gäule nehmen?«
    »Was muß – muß!« sagte Hackendahl eisern, aber er tröstete sie gleich: »Die Katzen nehmen sie bestimmt nicht – und meine anderen fünf, die sind bei dem Futter auch nicht besser geworden!«
    »Die Nachgemusterten sind im letzten Jahre bei ihrer Hungereiauch nicht besser geworden!« klagte Frau Hackendahl. »Und sie haben sie doch genommen!«
    »Wir werden’s ja erleben, Mutter. Weine bloß nicht schon jetzt! Du sollst sehen, ich klappere mit ebensoviel Pferden zurück auf den Hof, wie ich losgetippelt bin!«
    Aber es war schon ein anderer Auszug gewesen als damals in den ersten Augusttagen des Jahres 1914. Damals war Hackendahl gewichtig, eine Tasche unter dem Arm, neben seinem Transport hergegangen. Er hatte die Gesichter der Leute studiert, und ihre bewundernde Anerkennung hatte ihn stolz gemacht. Bubi war nebenhergelaufen, es war noch ungewiß gewesen, gegen wen alles es Krieg geben sollte, und vor Spionen war gewarnt worden.
    Jetzt trug Hackendahl den Befehl für die Pferde in seiner Jackettasche und führte selbst die ersten vier Gäule, während ihm Futtermeister Rabause mit den nächsten vieren folgte. Man konnte gut den Lohn für die Kutscher sparen. Und in die Gesichter der Entgegenkommenden brauchte man auch nicht groß zu sehen. Die waren doch alle grau und hoffnungslos, und wenn einer wirklich auf die Pferde achtete, so dachte er bloß: Die sollten sie auch lieber zum Pferdeschlächter bringen, dann gibt’s wenigstens wieder Fleisch ohne Karten.
    Bubi aber saß in der Schule, und das war noch ein Trost; nach Spionen hätte doch keiner Jagd gemacht. Heute wollte man ja sogar gerne, daß sie in der Welt erfuhren, wie die Hungerblockade unschuldige Frauen und Kinder mordete. Aber das wollte die Welt gar nicht wissen!
    Der Musterungsplatz, der alte Musterungsplatz mit den Holzbarrieren. Aber heute war ein anderer Betrieb hier als damals. Kein langes Vorführen, nur ein kurzer Blick: »Gut. Der nächste!«
    Kaum, daß einmal einem Gaul ins Maul gesehen, ein Bein nachgefühlt wurde. »Gut! Der nächste!«
    Angst wollte Hackendahl beschleichen, er gab die Aufsicht über das Vorführen dem Rabause. Er pirschte sich andie Musterungskommission heran, aber gleich wurde er angegrobst und zurückgejagt: »Was haben Sie hier rumzustehen. Mann?! Machen Sie, daß Sie zu Ihren Pferden kommen! Hier hat keiner zu horchen!«
    Es war ein graugesichtiger Rittmeister mit scharfen Zügen, der Hackendahl so anschrie. Er trug das E. K. I. auf dem Rock. Der gehörte sicher zu denen, die an der Front kaputtgeschossen waren, die wieder raus wollten, die den ganzen »Friedensbetrieb« hier im Binnenlande haßten und verachteten. Sein Gegenstück war der Tierarzt, ein dicker Mann mit einem rosigen, fetten Gesicht: Der machte immerzu Witze, über die er allein lachte.
    »Hackendahl!« rief er. »Na, nu man ein bißchen fix die Hacken dahl, junger Mann mit ’nem alten Gesicht! – Das sind Ihre Pferde? Das sind ja Katzen! Sie kommen wohl direkt aus ’nem Flohzirkus? Na, nu mal munter, munter! Pferd ist Pferd, wir gehen hier nicht nach dem Gardemaß!«
    Mit verkniffenem, unendlich geekeltem

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