Der Eiserne König
entrollte ein Pergament, tunkte eine Gänsefeder in Tinte und reichte sie dem Dachs – »… bitte unterschreib unten links.«
Meister Grimbart rülpste. »Schlauer Fuchs! Du willst die Signatur eines Helden abstauben, wie?«, fragte er. »Na, gut. Her mit dem Wisch.« Er unterzeichnete so schwungvoll, wie es sein trunkener Zustand erlaubte.
Der Fuchs wedelte mit dem Pergament. Als die Tinte trocken war, rollte er es zusammen. »Ich haue mich jetzt aufs Gehör, Kumpel«, sagte er. »Wir sehen uns morgen früh.«
»Ja, ja«, lallte der Dachs. »Schlaf nur, du Held. Feige und faul und nicht mal trinkfest …« Er ließ den Schnaps in seine Kehle gluckern. »Ich gehe nachher noch auf Jagd«, murmelte er. »Auf Jagd … nachher …«
Der Fuchs suchte sich eine lauschige Kuhle und schlief bald ein.
In der Frühe weckte ihn der Hunger, und er trabte zum Fluss. Dort riss er eine Bisamratte. Während er sie schmatzend und knurpselnd und alles in allem sehr unmanierlich verspeiste, fand ihn ein Eichelhäher, der ihm eine Botschaft des Rates zu überbringen hatte. Nachdem der Fuchs Nachricht und Ratte verdaut hatte, kehrte er zum Hügel zurück. Meister Grimbart lag wie tot in seiner Röhre und schnarchte, dass Zapfen von den Kiefern fielen. Reineke Fuchs ließ sich außer Hörweite nieder und dachte nach, während die Sonne über den Feldern aufging. Schließlich erwachte der Dachs; er stöhnte, und sein linkes Auge war blutunterlaufen – das rechte hatte er damals in der Schlacht gegen die schwarzen Wölfe verloren.
»Was für ein Teufelszeug war das, du Held?«, fragte er. »Das bläst einem ja die Lichter aus.«
»Das war der Kartoffelschnaps, mit dem sich die Menschen besaufen«, erwiderte der Fuchs. »Ruh dich noch ein bisschen aus. Dann brichst du auf.«
»Aufbrechen? Warum? Wohin?« Meister Grimbart drückte sich die Pranken gegen den Kopf. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich mich nicht ungefragt einspannen lasse.«
»Du hast dich verpflichtet«, sagte der Fuchs förmlich. »Mit deiner Unterschrift.«
»Verpflichtet? Ach, was! Ich habe das Gesöff quittiert.«
Der Fuchs hielt ihm das Pergament vor die Schnauze. »Lies selbst«, sagte er.
Meister Grimbart las halblaut: »›Hiermit beschließt der Hohe Rat der Tiere … dass der Unterzeichnende … bindend und verpflichtend … nach bestem Wissen und Gewissen … und unter dem Einsatz aller geistigen und körperlichen Kräfte … sowie seines Lebens … getreulich und selbstlos … versucht, Unheil von Pinafor abzuwenden … und die Welt zu retten. Unterzeichnet …‹« Er blickte entgeistert auf. »
Das
habe ich unterzeichnet?«
Der Fuchs zuckte mit den Schultern.
»Du Mistkerl!«, brüllte Meister Grimbart und richtete sich drohend auf. »Du hast mich betrogen! Zum Dienst gepresst! Warte nur, ich …« Er sackte stöhnend in sich zusammen.
»Hör zu«, sagte der Fuchs, der Mitleid hatte, »ich habe vorhin eine Botschaft des Rates erhalten. Vor kurzem sind acht Unholde aufgebrochen, um ein Mädchen mit grünen Augen zu finden und zu töten, dessen Rücken den Weg zur Esche weist. Du musst sie unbedingt aufspüren.«
Der Dachs hob den Kopf. In seinem Auge blitzte der frühere Tatendurst auf. Dann sank er wieder auf die Seite. »Ach«, murmelte er, »ich bin zu alt für solche Abenteuer. Aber wenn du mich begleiten würdest …«
»Oh, nein, oh, nein, oh, nein!«, rief der Fuchs und wedelte abwehrend mit den Pfoten. »So war das nicht gedacht.«
»Mitgehangen, mitgefangen«, knurrte der Dachs. »Außerdem hast du mir die Unterschrift abgepresst. Das musst du wiedergutmachen.«
»Kommt nicht in Frage«, zischte der Fuchs und bleckte die Fänge.
»Oh, doch!«
»Oh, nein!«
»Oh, doch!«
Die beiden stritten sich bis in den Abend. Sie fauchten und knurrten und umkreisten einander. Drohgebärden mündeten in Handgreiflichkeiten. Sie schliefen übermüdet ein. Als sie am nächsten Morgen erwachten, stritten sie weiter. Aber die Rollen hatten sich umgekehrt, denn Meister Grimbart hatte Blut geleckt.
»Wir verlieren kostbare Zeit«, sagte er.
»Ich will aber nicht!«, jaulte der Fuchs.
»Denk an den Feldherrn«, sagte der Dachs.
Schließlich gab sich der Fuchs geschlagen.
5. Hardt und Horn
Hans und seine Gefährten ahnten nicht, dass auch Grimm das Mädchen mit den grünen Augen suchte und außerdem einige Tage Vorsprung hatte, und von Dachs und Fuchs ahnten sie sowieso nichts. Sie ritten ziellos durch Flutwidde, ohne eine Spur
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