Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
Vom Netzwerk:
Himmel noch in der Grenzfeste tat sich etwas. Ein Wind wirbelte Laub auf, und die Erde verströmte einen winterharten Duft, obwohl der Herbst gerade erst begonnen hatte.
    Gegen Abend brachen die Mädchen mit Hans als Kutscher auf. Hilck von der Usse stieß gleichzeitig mit einem kleinen Heerbann und all seinen Rittern querfeldein nach Rottland vor. Der Aufstieg war mühsam und drohte immer wieder, im Niemandsland zu enden. Ohne den Knappen, der mit seinen Igelaugen auch in der Dunkelheit bestens sah und den über Kamm und Klamm aufragenden Bergfried im Blick behielt, hätte sich die Truppe verirrt.
    Hans und die Mädchen erreichten ihr Ziel bei Anbruch der Nacht. Der Weg endete vor einem Abgrund. Dahinter ragten die Mauern der Grenzfeste auf, rußgeschwärzt von vielen Belagerungen und hoch wie die Klippen, zwischen denen der Welsfluss durch das Himmelstor toste. Nur ganz oben im Bergfried glomm ein Licht. Dies war das Bollwerk, an dem vor langer Zeit der Ansturm der Krieger aus dem Norden zerschellt war. Dies war die Trutzburg, die den Ruf genoss, uneinnehmbar zu sein. Ihr bloßer Anblick entmutigte jeden Angreifer.
    Auch Hans verlor vorübergehend den Mut. Dann zog er ein Horn unter dem Kutschbock hervor und blies einen lauten, tiefen Ton, der nicht nur für die Besatzung Rottlands, sondern auch für den Heerbann gedacht war. Hilck von der Usse wusste jetzt, dass Hans und die Mädchen die Grenzfeste erreicht hatten.
    Ein Käuzchen schrie und strich dann aus einer Nische hoch oben in den Mauern ab. Hans musste daran denken, was ihm im Feldlager am Dunkelpfuhl erzählt worden war: Dass die Eulen die Feinde der Ragnarökk waren. Er trommelte mit den Fingern auf die Sitzbank. Die Mädchen kauerten sich eng aneinander, und die Pferde schnaubten erschöpft. Schließlich leuchtete eine Laterne in einer Schießscharte über dem Tor auf, und ein Mann schrie: »Wer da?«
    »Die Wirtin der Herberge ›Zur munteren Matrone‹ schickt mich«, rief Hans mit um den Mund gelegten Händen. »Ich bringe die von eurem Herrn bestellten Mädchen.«
    Das Licht verschwand. Eine Weile tat sich nichts. Die Nacht war so finster, dass Hans glaubte, die Schwärze mit Händen greifen zu können. Dann tauchte das Licht wieder auf, und der Wächter brüllte: »Davon wissen wir nichts!«
    Hans tauschte einen Blick mit dem blonden Mädchen. Sie stand auf und rief: »Euer Herr hat uns vor Wochen für diesen Abend bestellt. Ihr kennt mich. Ich bin Hella. Ich war schon einmal hier.«
    »Wollt ihr uns fortschicken?«, rief Hans. »In dieser dunklen Nacht? Die Mädchen werden sich gefällig zeigen!«
    Das Licht verschwand ein zweites Mal. Hans knirschte mit den Zähnen. Ein Schrei hallte durch die Dunkelheit, vielleicht der einer Eule, vielleicht der einer gequälten Seele. Wie als Antwort gellten weitere Schreie. Dann trat Stille ein.
    »Verflucht«, zischte Hans.
    Schließlich flammten in mehreren Schießscharten Lichter auf und jemand brüllte: »Die goldblonde Hella?«
    »Mit den kornblumenblauen Augen, Schätzchen!«, rief Hella. Sie wollte kokett klingen, doch Hans hörte den Widerwillen aus ihrer Stimme heraus.
    »Unser Herr ist nicht da!«, schrie ein anderer Wächter. »Aber ohne Weiber ist das Leben langweilig. Ihr könntet uns die Einsamkeit versüßen!«
    »Liebend gern, Zuckerschnute!«, rief Hella mit starrer Miene.
    »Was für ein Gesülze«, murmelte ein Mädchen. »Es ist immer das Gleiche. Ich habe es so satt.«
    Die gewaltige Zugbrücke senkte sich mit rasselnden Ketten über den Abgrund. Dann ruckelte das ebenso gewaltige Fallgitter ächzend nach oben. Hans schwang die Peitsche, und der Karren rollte über die Brücke zum Tor. Wie sich herausstellte, war die Mauer mehr als drei Wagenlängen tief. Die Einfahrt war durch weitere Fallgitter gesichert, die sich hinter den Ankömmlingen wieder schlossen. Hätte der Heerbann – wie von einigen Rittern vorgeschlagen – diesen Augenblick zum Angriff genutzt, dann wäre er in die Falle gegangen und aufgerieben worden.
    Als der Karren auf den Hof der Grenzfeste rollte, erschallte ein lautes Hallo. Man kannte die Herberge, und man kannte die Mädchen. Hans wurde vom Bock gezerrt und durchsucht. Dann befahl ein Krieger: »Sperrt ihn über Nacht ein.«
    »Den braven Hans? Warum denn?«, fragte Hella, die sich an den Mann schmiegte. Sie kniff ihn in die Nase, dann kitzelte sie ihn unter dem Harnisch. »Er schreit im Schlaf immer nach seiner alten Mutter. Er tut keiner Fliege etwas zuleide.

Weitere Kostenlose Bücher