Der Eiserne König
ging.
»Die Gografen würden Euch von allen Abgaben befreien«, fügte Hans an die Matrone gewandt hinzu. »Und ihr würdet eine amtliche Konzession erhalten.«
»Dieser untote Blechschepperkönig ruiniert mein Geschäft«, murmelte die Matrone und hielt eine Weile die Luft an, um ihren Schluckauf loszuwerden. »Gut«, sagte sie dann. »Nehmt meine Mädchen mit. Vielleicht helfen sie dabei, dass alles rasch wieder beim Alten ist.«
Spät in der Nacht rumpelte der Karren mit den Mädchen nach Norden. Der Mond tauchte den Heerweg in ein fahles Licht, der Welsfluss strömte still dahin. Pinafor war in Aufruhr, aber Wasser und Gestirne ließen sich nicht beirren, und darin, dachte Hans, lag ein kleiner Trost.
Der Eiserne König saß im Rittersaal der Feste. Er fror trotz des Feuers. Man hatte ihm Süßspeisen und die Köpfe dreier Ammen gebracht, aber nichts davon hob seine Laune, und als er durch Boten der Wilden Jagd von dem Verschwinden des Heeres der Gografen erfuhr, war er außer sich.
»Blaubart, dieser Schafskopf!«, brüllte er und zerriss, als er vom Thronstuhl aufsprang, das auf seiner Rüstung gewobene Gespinst. »Und die Hexen sind ebenso dumm. Sie hätten meine alten Heerführer erwecken sollen – Bein, Schädel und Gedärm!« Asseln und Spinnen umwogten ihn, und eine Magd stand bleich auf der Schwelle zum Rittersaal und zitterte so heftig, dass die Schüsseln mit Süßspeisen auf dem Tablett klirrten.
Im Saal mischte sich das graue Licht der Morgendämmerung in den Fackelschein. Kehrweiber schrubbten den Boden, denn der Eiserne König ließ Tag und Nacht putzen. »Die Macht ist ein schmutziges Geschäft«, pflegte er zu bemerken, »deshalb schätze ich die Reinlichkeit.«
»Oh, Herr und Meister, edler König«, zischte ein Ungeheuer aus dem Gefolge, »wir sind dem Feind weit überlegen. Er bekommt nur eine Atempause, aber das wird ihn nicht vor der Vernichtung bewahren.«
»Unfassbar, dass die Gografen nicht kämpfen, sondern zu einer ehrlosen List greifen«, schnaubte der Eiserne König. Spinnen und Asseln folgten ihm, als er durch den Saal schritt. Er nahm im Vorbeigehen ein Plunderstück vom Tablett und kniff der Magd mit einem Panzerhandschuh in die Wange, auf der sogleich ein blauer Fleck erblühte. Dann zermalmte er das Stück zwischen schwärzlichen Zähnen; die Kehrweiber fegten die Krümel behutsam auf, denn falls sie eines der Insekten erwischten, drohte ihnen ein qualvoller Tod. Der Eiserne König stopfte sich weitere Plunderstücke in den Mund und sackte schließlich wieder auf den Thronstuhl, wo er in Schweigen versank.
Zwei Tage vergingen. Zwei Tage, in denen der Eiserne König düster schwieg. Zwei Tage, in denen er jede Süßspeise und jedes Gebäck verschmähte. Zwei Tage, in denen sein Gefolge in Reih und Glied im Rittersaal stehen musste, ohne sich rühren, austreten oder Essen fassen zu dürfen. Erste Männer waren schon ohnmächtig geworden, als wieder ein Bote der Wilden Jagd eintraf, um zu melden, dass sich das Heer der Gografen von Norden auf die Feste zubewegte.
»Lächerlich wenige Männer, schlecht bewaffnet und vielfach in Lumpen«, krächzte das Geschöpf mit dem Kopf eines Rehs und dem Leib einer Greisin. »Die Gografen haben kein Heer ausheben können – sie führen eine Truppe von Landmännern und Vagabunden an.«
»Sehr gut!«, rief der Eiserne König, und seine eisigen Augen blitzten. »Wenn sie ihre Feste mit einem solchen Aufgebot zurückerobern wollen, sind sie am Ende. Sag Blaubart, dass er so rasch wie möglich mit der Streitmacht herbeieilen soll.« Sobald der Bote fort war, entließ er sein Gefolge, stärkte sich mit Gebäck und stieg auf den Bergfried. Oben angekommen, schaute er nach Norden. Der Welsfluss wand sich durch die aschgraue Landschaft, und am Horizont waren die Gipfel des Gretings zu erkennen. Bei dem Gedanken an das Heer der Gografen lachte der Eiserne König in sich hinein – er würde seine Feinde zu Staub zermahlen!
27. Rottland
Im Schutz der Dunkelheit rückte das Heer der Gografen vor. Stiefel und Hufe steckten in grasgeflochtenen Überschuhen, um die Tritte zu dämpfen. Nach einem stundenlangen Marsch längs der Ausläufer des Gretings erreichten die Männer kurz vor dem Morgengrauen den nach Rottland hinaufführenden Weg. Die Männer verbargen sich im Wald. Sie hüllten sich in Mäntel und Decken und warteten den ganzen quälend langen Tag. Auf Bäumen postierte Späher hielten Ausschau nach der Wilden Jagd, aber weder am
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