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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Gebt ihm einen anständigen Schlafplatz.«
    Der Mann lachte. »Na, gut«, sagte er und legte einen Arm um Hellas stramme Hüften. »Er kann im Stall schlafen.«
    Als Hans etwas sagen wollte, verpasste ihm der Mann eine schallende Ohrfeige und wies auf ein windschiefes Gebäude. »Ab mit dir, Muttersöhnchen. Und mach dir keine Sorgen um die Weiber. Sie sind bei uns in besten Händen.«
    In diesem Moment zwängte sich Eisenhans, den Blaubart auf Drängen Grimms nach Rottland abgeschoben hatte, zwischen den Kriegern durch. »Ich kenne ihn!«, schrie er und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor Hans’ Nase herum. »Er war bei der Esche. Er gehört zu den Gografen. Wir haben ihn gemartert.«
    Hans gefror innerlich, zwang sich aber ein Lächeln ab.
    Die Mädchen betrachteten den Zottelkerl angeekelt. »Wer ist
das
?«, fragte Hella.
    »›Der-keine-Bettdecke-braucht‹«, erwiderte der Mann, der sie im Arm hielt. »So nennen wir ihn jedenfalls.«
    Die anderen Krieger lachten höhnisch.
    »Und?«, fragte der Mann und zwinkerte Hans zu. »Warst du bei der Esche, Milchbubi? Wurdest du gemartert? Gehörst du zu den Gografen?«
    Hans merkte, dass die Männer Eisenhans weder ernstnahmen noch mochten und außerdem ungeduldig wurden, weil sie die Mädchen begehrten. »Unsinn«, erwiderte er. »Niemand weiß, wo die Esche wurzelt.«
    »Er ist schon länger bei uns in der Herberge«, warf Hella ein. »Die Wirtin hat … nun, ja … Gefallen an ihm gefunden.«
    Die Männer lachten wieder, dieses Mal dreckig.
    »Aber …«, stammelte Eisenhans. »Er …«
    »Halt dein Maul, du Stinktier!«, brüllte der Mann, der Hella hielt. »Es reicht, dass wir mit deinen Läusen leben müssen.«
    Eisenhans wich zähneknirschend zurück. Aber er warf Hans einen drohenden Blick zu.
    Während die Männer mit den Mädchen scherzten, ging Hans über den Hof. Der Bergfried stand in der Mitte, umringt von drei niedrigeren Türmen, hinter deren Gitterschlitzen bleiche Gesichter auftauchten, angelockt von den Rufen und Lichtern auf dem Hof. Der Anblick verursachte Hans eine Gänsehaut. Er rieb seine brennende Wange und betrat den Stall, der sich wie alle Gebäude gegen die Mauer duckte. Ein Geruch nach vergorener Milch, Mist und Schweinen schlug ihm entgegen. Nach einigen Schritten stolperte er über eine Forke und fiel in einen Heuhaufen. Kühe brüllten, als würden sie über seine Tolpatschigkeit lachen. Er rappelte sich auf, und als er an ein trübes Fenster trat, sah er, dass man die Mädchen über den Hof zum Bergfried führte. Er war in Rottland. So weit, so gut. Aber wie sollte er Fallgitter und Zugbrücke öffnen? Die zu den Winden führende Wachstube war gut bewacht. Am schwersten lag ihm Eisenhans im Magen. Was, wenn er die Männer noch überzeugte?
    Im Koben lagen Säue und Ferkel, in einem Verschlag ruhte ein Eber, die Kühe käuten träge wieder. Als Hans um eine Ecke bog, stieß er auf eine Magd, die im Schein einer Funzel auf der Erde schlief. Eine lange Kette band sie an einen der Ständer des Strohdachs; sie war ausgemergelt und in Lumpen gehüllt. Im ersten Moment glaubte er, die Jungfer vor sich zu haben – nicht noch eine böse Überraschung! Er wich zurück und stieß gegen eine an der Wand lehnende Getreideschaufel, die scheppernd umfiel.
    Die Magd schrak aus dem Schlaf auf. Hans legte einen Finger auf seine Lippen. Dann sah er das bohnenförmige Muttermal auf ihrem Hals. Er fiel auf die Knie. »Grete?«, hauchte er.
    Sie wich mit klirrender Kette zurück und kauerte sich in eine Ecke. Ihrer Kehle entwich ein Wimmern.
    »Was haben sie dir angetan?«, stieß Hans hervor. Er wollte sie berühren, aber sie fauchte wie eine Wildkatze, und ihre Augen blitzten, als wäre sie irre. Hans schlug sich die Hände vor das Gesicht und schluchzte.
    Da flüsterte Grete: »Nicht weinen, Hänschen. Ich bin ja bei dir. Nicht weinen.«
    Sie klang wie damals, als er im Käfig der Hexe im Lohwald gesessen hatte. Nur, dass sie es jetzt war, die gerettet werden musste. »Was hat man dir angetan?«, fragte Hans wieder.
    »Was Blaubart den Frauen so antut«, kicherte sie. Dann fügte sie hinzu: »Immerhin sitze ich nicht in einem Turm, sondern sorge für das Vieh. Ich
bin
ein Stück Vieh. Dreckig, wertlos und verdorben.«
    »Nein!«, rief Hans.
    »Doch«, sagte Grete. »Ich habe dich in der Herberge erkannt, aber ich bin nicht mehr deine Schwester. Deine Schwester ist tot. Wie unsere böse Mutter. Wie unser Vater.«
    Hans kroch auf sie zu. »Ich bin

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