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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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keuchte und war knallrot im Gesicht.
    »Wir sollten besser Anlauf nehmen und über den Abgrund springen«, schlug ein weiterer Ritter vor. »Dann klopfen wir an das Tor und bitten höflich um Einlass.«
    Der Türmer holte tief Luft. Er sammelte sich und setzte das Horn wieder an. Er blies lange und ausdauernd hinein. Der Ton schwoll immer weiter an, erst hohl, dann grollend, dann ohrenbetäubend laut.
    Ein Krachen ertönte.
    Alle sahen wie gebannt zur Grenzfeste.
     
    Hans konnte sich der Angreifer kaum noch erwehren. In eine Ecke hinter den Winden geduckt, wehrte er einen Hieb nach dem anderen ab. Er saß in der Falle, und an einen Ausbruch war nicht zu denken. Im Hof wurde immer noch gekämpft. Er konnte den Lärm hören, wusste aber nicht, wie die Sache stand. Vermutlich hatten sich Blaubarts Krieger inzwischen gefangen. Sie waren zwar in der Unterzahl, aber mit ihrer Kampferfahrung würden sie sich über kurz oder lang gegen die Frauen durchsetzen. Hans, der sich um Grete sorgte, befürchtete ein Blutbad.
    Da drang ein Ton an seine Ohren, der wie aus tiefsten Tiefen aufzusteigen schien und den Gefechtslärm überlagerte. Hans’ Trommelfelle schmerzten, und er presste sich die Hände auf die Ohren. Den Kriegern erging es ebenso. Sie verzerrten das Gesicht und krümmten sich wie unter Schmerzen. Der Ton schwoll ab, um gleich darauf noch lauter zu erschallen. In der Kammer mit den Winden ertönte ein Krachen. Als Hans die Augen öffnete, sah er, dass sich in der Außenwand ein Riss auftat. Mörtel rieselte. Balken begannen zu bersten.
    Was ging hier vor? Warum gab die Mauer nach? Der Heerbann führte keine Katapulte mit sich. Waren die Hexen wieder am Werk? Hans’ Instinkt sagte ihm, dass er sich in Sicherheit bringen musste, und er floh zur Treppe. Die Krieger standen da, die Hände auf den Ohren, und sahen ungläubig zu, als mehrere Steine aus der Mauer brachen. Der Nachtwind blies ihnen Staub ins Gesicht. Als sich einer nach Hans umdrehte, sprang dieser schon die Treppe hinunter. Im nächsten Moment gab die Außenmauer nach. Zwei Krieger und die gewaltige Winde der Zugbrücke wurden mit in die Tiefe gerissen. Die übrigen Männer ergriffen die Flucht und rannten ebenfalls nach unten.
     
    Die Mauer Rottlands barst mit dem Knirschen eines riesigen Mühlsteins. Ein bis zu den Zinnen reichender Riss tat sich auf. Quader stürzten, eine Winde polterte in die Tiefe. Die Zugbrücke wankte und fiel mit Donnerhall. Als Nächstes löste sich das Fallgitter, knallte auf die Brücke und rutschte in den Abgrund. Gograf, Ritter und Krieger sahen verblüfft zu, wie die als uneinnehmbar geltende Grenzfeste durch den Schall des Horns geschleift wurde. Dann brachen sie in lauten Jubel aus.
    Doch als der Türmer wieder ansetzte, um Rottland ganz in Schutt und Trümmer zu legen, zerbrach das Horn in tausend Stücke. Der Jubel verstummte. Banges Schweigen trat ein. Im Osten glomm der erste fahle Schein der Morgendämmerung am Horizont.
    Eine Staubwolke hüllte Rottland ein. Nachdem sie sich gelegt hatte, wurde das Ausmaß der Zerstörung sichtbar: In der Festungsmauer klaffte eine Bresche, durch die man bis zum Bergfried sehen konnte. Dieser hatte standgehalten, aber zwei Kerkertürme und die Blutgerüste waren eingestürzt. Der Gograf sprang auf die Zugbrücke. »Vorwärts!«, brüllte er. »Jetzt oder nie! Für Pinafor!«
    Der Heerbann folgte ihm mit Kriegsgeschrei. Die Männer kletterten über die Trümmer und stießen, als sie den Hof der Grenzfeste erreichten, auf eine gespenstische Szene: Von grauem Staub bedeckte Gestalten rangen im Zwielicht wie Untote miteinander. Verwundete stöhnten, und überall lagen Tote.
    »Das sind Frauen!«, rief Sanne. »Blaubarts Krieger kämpfen gegen Frauen.«
    Hilck von der Usse war entsetzt. »Kreist alle ein«, befahl er seinen Rittern.
    Der Heerbann umzingelte die gegnerischen Parteien, die eifrig damit beschäftigt waren, einander zu zerfleischen. Trotz des Hörnerschalls und des Krachens der einstürzenden Mauern kämpften sie wie besessen weiter.
    »Das ist ja wie im wahren Leben – Männer und Frauen, die sich spinnefeind sind«, murmelte Horn.
    Der Gograf stieg auf einen Mauerquader und rief: »Schluss jetzt! Beendet den Kampf. Das ist ein Befehl.«
    Niemand nahm Notiz von ihm. Alle kämpften weiter.
    »Ihr seid umzingelt«, brüllte Hilck von der Usse. »Hört auf. AUFHÖREN !«
    Sein Ruf verhallte ungehört.
    Da stolperte ein von grauem Steinstaub bedeckter Mann auf Sanne zu, der

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