Der Eiserne König
murmelte Grimm.
»Ja! Aber nur halb!«, heulte der blutrünstige Blaubart. »Nur halb.« Er schluchzte in einen Ärmel seines Schlafgewands. Dann fragte er unvermittelt: »Was ist mit der Vorhut?«
»Sie werden das kleine Heer, das zur Feste marschiert ist, um uns abzulenken, in Grund und Boden stampfen«, erwiderte einer der Raubritter. »Macht Euch keine Sorgen, Herr.«
»Ich bin hungrig«, krächzte das Wesen der Wilden Jagd.
Blaubart sah es wütend an. »Werft dem hässlichen Vogel eine Magd aus dem Tross vor«, befahl er. Dann wandte er sich ab und kehrte in sein Zelt zurück.
Die Kühle des Morgens kroch über die Flussauen und bis in das Lager von Helmdags Heerbann. Die Wachen gähnten, und man entfachte erste Feuer, um Tee zu kochen und Eier zu braten. Die Ritter, die ihre Rüstung über Nacht abgelegt hatten, erwachten und reckten und streckten sich.
Der Gograf stand am Ufer und betrachtete den trägen Strom. Ein Schwan gründelte vor dem Schilf, Rallen und Schnepfen riefen, alles wirkte ruhig und friedlich. Zum ersten Mal seit dem Verlust der eigenen Feste gewann Helmdag seine Zuversicht zurück: Sie hatten Rottland eingenommen und viele Waffen erbeutet; sie wären keine leichte Beute mehr; und vielleicht wären sie sogar imstande, den Eisernen König zu besiegen. Er ging zu den Rittern, die am Feuer ein karges Mahl einnahmen.
In diesem Moment gab einer der Wächter Alarm. »Die Wilde Jagd!«, brüllte er. »Auf allen Seiten!«
Die Männer sprangen fast gleichzeitig auf. Teller und Becher wurden umgestoßen und Kannen mit kochendem Wasser kippten um, als man zu den Waffen griff. Helmdag wies den Männern Stellungen zu. Seine Ritter eilten zu ihren jeweiligen Truppenteilen. Die Bogenschützen formierten sich in der Mitte des Lagers zu einem Kreis. Kurz darauf brach ein Unwetter aus Gekreische und Schwingengeknatter, aus Schnäbeln, Krallen, Hauern und Reißzähnen über den Heerbann herein. Ein Pfeilhagel nach dem anderen sauste gen Himmel, aber anders als beim Angriff auf das Lager am Dunkelpfuhl war die Wilde Jagd vorbereitet: Die Geschöpfe wichen den Pfeilen aus wie eine lebendige Welle, stürzten auf die Männer hinab und sorgten innerhalb kurzer Zeit für schwere Verluste.
Im Heerbann kam Panik auf. Die Ritter versuchten, ihre Männer zu beruhigen, damit diese ihre Stellung hielten, aber die Ohnmacht, die die meist unerfahrenen Krieger angesichts des Überfalls aus der Luft erfüllte, war stärker als jede gute Zurede. Manche versuchten, wieder Mut zu fassen, indem sie rasend und sinnlos auf tote Ungeheuer einschlugen; andere duckten sich unter Bäume; wieder andere standen kurz vor dem Kollaps. Helmdag musste all seine Autorität aufbieten, um Ordnung zu schaffen.
Es war ihm gerade gelungen, die Reihen zu schließen, als die Erde zu beben begann – Blaubarts Vorhut rannte gegen das Lager an. Beim Anblick der Karontiden, die brüllend und mit bebenden Hornfortsätzen und wild peitschenden Schwänzen angestürmt kamen, erfasste die Männer eine Mischung aus Starre und Entsetzen. Dann griff die Reiterei die Flanken an. Die Bogenschützen wussten nicht mehr, auf wen sie schießen sollten – auf die Wilde Jagd oder auf Reiter und Karontiden. Der überrumpelte Heerbann begann, sich aufzulösen. Männer sprangen in den Welsfluss, wurden von der Strömung erfasst und abgetrieben. Reiter und Karontiden wüteten derweil unter jenen, die noch Gegenwehr leisteten, und die Wesen der Wilden Jagd stürzten unablässig vom Himmel und schlugen blutige Schneisen in die Reihen. Helmdag, der mit Rittern und Bannerträger in vorderster Front kämpfte, sah ein, dass die Schlacht verloren war, und ließ zum Rückzug blasen. Wer nicht im Getümmel steckte, ergriff die Flucht.
Daraufhin zielte der Angriff auf den Gografen und dessen letzte Getreue, die immer weiter zum Fluss zurückgedrängt wurden. Sie nahmen den Bannerträger in ihre Mitte und wehrten sich, gedeckt von den letzten Bogenschützen, gegen den Ansturm der Feinde.
»Sie werden uns abschlachten!«, brüllte einer der Ritter. »Wir können nicht gewinnen!«
Helmdag erschlug einen Raubritter, der mit dem Morgenstern auf ihn losging. Dann drängten die Karontiden heran. Arme begannen zu erlahmen, viele Ritter waren verwundet. Die vom übermächtigen Feind umzingelten Männer machten sich auf den Tod gefasst. Aber sie wollten ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen.
Da erschallte ein dumpf blubbernder Ruf, und als sich der Gograf zum Fluss
Weitere Kostenlose Bücher