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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Ende nahm, und er schnürte dicht an der Wand entlang, damit man seine Pfotenabdrücke nicht entdeckte. Als die Kultknechte stehenblieben, drückte er sich in einen dunklen Winkel. Die Männer zogen Tücher hervor, die sie vor das Gesicht banden. Dann gingen sie weiter. Staub häufte sich auf dem Boden und wölkte in der Luft, und Reineke Fuchs vernahm ein Surren und Schnurren – jene Geräusche, die Meister Grimbart zu hören geglaubt hatte. Ihr Ursprung war nah.
    Die Kultknechte bogen um eine letzte Ecke. Dahinter endete der Flur vor einer Eichentür. Sie hatte ein winziges Schloss, das einer der Knechte mit einem goldenen Schlüssel öffnete. Der Fuchs lugte um die Ecke. Als die Tür aufgezogen wurde, wogte eine Staubwolke heraus, die ein Stöhnen und Dröhnen mit sich brachte. Nachdem sie sich gelegt hatte, erhaschte der Fuchs einen Blick auf ein riesiges Gewölbe, in dem unzählige Frauen an Spinnrädern saßen. Die beiden Männer traten ein und griffen nach Peitschen. Zwei andere Kultknechte kamen heraus. Sie husteten, klopften sich Staub von den Kleidern, rieben ihre geröteten Augen, lösten die Tücher vom Gesicht. Dann wurde die Eichentür geschlossen und mit dem goldenen Schüssel verriegelt.
    »Drecksarbeit«, murrte einer der Kultknechte.
    »Sie hat bald ein Ende«, erwiderte der andere. »Das Stroh ist fast alle.«
    »Und die Frauen? Wir können sie nicht mehr nach Rottland schicken. Was soll mit ihnen geschehen?«
    »Sie werden hier unten eingesperrt, sobald das letzte Stroh zu Gold gesponnen ist. So haben es die Herrinnen beschlossen. Das Gewölbe wird ihre Gruft sein.«
    Die beiden Männer gingen an Reineke Fuchs vorbei, der sich mit angehaltenem Atem in den Schatten drückte. Sobald die schlurfenden Schritte verklungen waren, rannte er zurück, um seine nichtsahnenden Gefährten zu warnen.
    Der Rückweg durch die blitzsauberen, immer gleichen Flure glich einer Odyssee. Er ging mehrmals vor Kultknechten in Deckung, und einmal kreuzte ein weises Weib seinen Weg wie eine Schlafwandlerin: Sie schritt mit lang ausgestreckten Armen an ihm vorbei und bog um eine Ecke. Der Fuchs sah, wie sie vor einer Tür innehielt, die sich ohne Klopfen auftat. Wieder erschienen zwei Arme, dieses Mal dick und behaart, die das Weib in das Zimmer zogen. Dann fiel die Tür zu.
    Dem Fuchs grauste es. Er glaubte schon, das Zimmer nie mehr wiederzufinden, als er endlich seinen Duft witterte. Und als er auf der Schwelle stand, die er markiert hatte, holte er so tief Luft, als wäre er knapp mit dem Leben davongekommen. Er huschte in das Zimmer, sprang auf das Himmelbett und weckte Kunz.
    »Was … Beim Bart meiner Großmutter … Igitt!«, schrie Kunz, als der Fuchs sein Gesicht abschleckte.
    Sneewitt fuhr aus dem Schlaf und rieb ihre Augen. »Oh …«, stöhnte sie. »Habt ihr auch so wirres Zeug geträumt?«
    Meister Grimbart, der auf einem Läufer vor dem Himmelbett lag, wälzte sich murrend auf die andere Seite.
    Nachdem der Fuchs dem schlaftrunkenen Kunz alles erzählt hatte, fragte dieser: »Und das sind bestimmt keine schlechten Träume gewesen?«
    »Nein«, empörte sich der Fuchs. »Barbera ist hier. Die weisen Weiber stecken mit ihr unter einer Decke. Frauen spinnen in einem Gewölbe Stroh zu Gold. Und … und …«
    Der Dachs erhob sich müde und beschnüffelte seinen Freund. »Sein Balg ist staubig und riecht nach Stroh«, sagte er. »Ich fürchte, er erzählt keine Schauermärchen.«
    »Mist«, murmelte Kunz. Er stieg aus dem Bett und warf einen Blick aus dem Fenster – die Nacht war noch dunkel, aber der Morgen nicht mehr fern. »Lasst uns abhauen.«
    Sneewitt, die sich ankleidete, sah ihn über die Schulter an. »Nein«, erwiderte sie. »Wenn wirklich alle weisen Weiber mit dem Eisernen König im Bunde sind, müssen wir handeln. Jetzt oder nie.«
    »Wir allein?«, rief Kunz. »Das wäre Wahnsinn!«
    »Kunz, der Draufgänger, hat Muffensausen, und unser feiger Fuchs riskiert seinen Balg?«, fragte der Dachs. »Was ist hier los? Verkehrte Welt?«
    »Ich bin nicht feige, sondern weise«, schnaubte der Fuchs.
    »Dann zeig uns den Weg zu dem Gewölbe, weiser Meister«, sagte Sneewitt, die nach Bogen und Köcher griff. »Ich will mit eigenen Augen sehen, was hier gespielt wird.«
    »Halt«, schrie Kunz, der sich in seine Hose strampelte. »Ich komme mit.«
    »Brav, brav«, sagte Sneewitt. Sie öffnete die Tür und spähte hinaus.
    Kurz darauf führte Reineke Fuchs, der seiner eigenen Spur folgte, die Gefährten

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