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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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Eichhörnchen.
    »Die Esche entlässt uns in die Freiheit«, sagte der Olm. »Wir sind ab jetzt für uns selbst verantwortlich. Wenn sie sterben will, bedeutet das, dass sie ihre Aufgabe für erfüllt hält. Es bedeutet auch, dass sie uns zutraut, unsere Probleme selbst lösen zu können. Sie drückt damit ihre Achtung für uns aus.«
    Maleen sah über die Schulter zum Wurzellabyrinth, aus dem der riesige Baum aufragte. »Das tut sehr weh«, sagte sie.
    »Oh, ja«, erwiderte der Olm. »Aber es ist notwendig.«
    »Mit dem Tod der Esche geht die Welt unter«, jammerte das Eichhörnchen.
    »
Eine
Welt geht unter«, sagte der Olm. »Jene, in der uns die Esche beschirmt hat. Aber damit nimmt auch eine neue Welt ihren Anfang. Wir müssen die Entscheidung akzeptieren. Nur so können wir weiterleben.«
    »Hast du keine Angst?«, fragte Maleen.
    »Natürlich habe ich Angst«, antwortete der Grottenolm. »Wie könnte es anders sein?«
    Die Eichhörnchendame war verstummt, und ihre Knopfaugen glänzten feucht.
    Maleen wischte sich die Tränen von den Wangen. Sie holte tief Luft und drückte den Rücken durch. »Gut«, murmelte sie. »Ich kehre zur Esche zurück und versuche trotz allem, die grüne Kraft aufzurufen, um unseren Freunden bei ihrem Kampf gegen den Eisernen König zu helfen. Ich gebe nicht auf.«
    Die beiden Tiere sahen ihr nach, als sie zum Wurzellabyrinth ging.
    »Ob wir es schaffen?«, fragte das Eichhörnchen furchtsam.
    »Die Zeit der Wunder ist vorbei«, erwiderte der Grottenolm. »Wir haben nur noch uns selbst.« Er tauchte im Weiher unter. Das schwarze Wasser schwappte über ihm zusammen, dann war die Oberfläche wieder glatt.
    Die Eichhörnchendame saß da wie erstarrt. »Ich bin zu klein für diese große Welt«, dachte sie verzweifelt. Dann fiel ihr ein, dass sie Freunde hatte, und sie folgte Maleen mit eiligen Sprüngen.
     
    Auch in Rottland kehrten die Frauen zu ihren Angehörigen zurück. Sie kletterten durch die Lücke in der Festungsmauer, überquerten die Zugbrücke und verschwanden in den grauen Tag. Vor dem Bergfried loderte ein Feuer, geschürt mit den Holztrümmern der Blutgerüste, an dem sich die Mädchen aus der Herberge, die verbliebenen Gefährten, die Köhler und ein paar Ritter wärmten. Hilck von der Usse verhörte noch die Gefangenen, um mehr über Blaubarts Untaten zu erfahren.
    »So ein Glück«, sagte Hella, die heißbegehrte Blondine. »Sie wollten uns gerade an die Wäsche gehen, als der Trubel auf dem Hof begann.«
    »Ist das nicht euer Beruf?«, fragte ein Ritter.
    Hella schnaufte beleidigt. »Man verachtet uns«, erwiderte sie, »aber ohne
euch
 …« – sie zeigte auf die Männer – »… würde es uns gar nicht geben.«
    »Wir werden fortgehen«, fügte ein anderes Mädchen hinzu. »Die Wirtin führt ein viel zu strenges Regiment.«
    Sanne hob den Blick: Das Spitzbogenfenster oben im Turm war geschlossen, und Horn hatte sich weder gemeldet noch gezeigt; er schien ihnen tatsächlich abhandenzukommen. Sie sah zu Hans, der gramgebeugt am Grab seiner Schwester saß. »Da Trauer, dort Glück«, murmelte sie. »Warum ist das Leben so ungerecht?«
    »Weil es
das
Leben nicht gibt«, sagte die Muhme, die auf ihrem Maultier nach Rottland gekommen war. »Sondern nur
die
Leben.«
    »Ja, du hast recht, alte Frau«, sagte eine Dirne, deren Haut so hell war wie die von Sneewitt. »Außerdem kann man immer wieder neu anfangen.«
    Die Muhme wollte etwas erwidern, als spitze Schreie über dem Bergfried ertönten.
    »Eulen!«, rief ein Köhler und wies auf den Schwarm. »Am hellichten Tag. Das ist ein böses Omen.«
    Die Nachtvögel flogen südwärts, gefolgt von Krähen, die den Festungshof sekundenlang verdunkelten.
    Mehrere Mädchen schrien erschrocken auf.
    Die Muhme sah den Vögeln nach. »Sie sammeln sich zur Entscheidungsschlacht«, murmelte sie. »Das muss kein böses Omen sein. Aber es ist ein Fingerzeig auf Kommendes.« Und sie paffte grimmig weiter.
    In das lange, bedrückte Schweigen, das nach diesem Vorfall eintrat, platzte Hilck von der Usse. Er war kreidebleich, und seine Miene schwankte zwischen Zorn und Entsetzen. »Was haben wir getan?«, fragte er. »Wie konnten wir Blaubart die Grenzfeste Rottland zu Lehen geben? Er ist die Grausamkeit, Lüsternheit, Verdorbenheit und Gier in Person. Einer jener Menschen, die ihre Untaten weder begreifen noch bereuen, weil sie von wahnhafter Selbstverliebtheit geblendet sind.« Er ließ sich einen Becher Wein geben, den er hastig

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