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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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und die Kutsche des Königs versank mehrmals bis zu den Achsen im Schlamm. Wenn das geschah, krabbelten Asseln und Spinnen über den Schuppenpanzer zur Brünne, krochen unter den gekappten Bart, drängten sich auf seinen Schultern. Draußen hörte man Pferde wiehern, Ochsen brüllen, Männer schreien, und immer wieder ertönte das Grollen, mit dem die schwer gepanzerten Karontiden ihrer Wut über den mühsamen Vormarsch Luft machten. Die Streitmacht wand sich wie ein endlos langer Lindwurm auf dem Heerweg nach Norden: Erst die Reiterei, dann die Kampfmaschinen, dann das Fußvolk, dann Tross und Nachhut. Die Wilde Jagd sicherte Spitze und Flanken; ihre Wesen sausten kreischend durch den Regen, schwarze Schemen in einer Welt, die sich in wässrigem Grau aufzulösen schien. Und der Regen ließ nicht nach.
     
    Währenddessen waren zwei Reiter einsam auf weiter Flur unterwegs: Grimm preschte auf dem Rappen wie ein finsterer Blitz durch das Unwetter nach Nordwesten, fest entschlossen, seine Rache zu vollenden, und Hans trabte durch den kahlen, wie ausgestorbenen Eichenwald des Gretings: Das Wild hatte sich verborgen, die Vögel waren geflohen, die Meiler und Kothen der Köhler verwaist. Hans war klitschnass, und die Selbstsicherheit, die er in Rottland an den Tag gelegt hatte, war verflogen. Er wusste nicht mehr, wozu er Maleens Vögel brauchte oder was die Traumworte zu bedeuten hatten. Sein Kopf glich einem ausgepusteten Ei, und bei dem Gedanken an die Streitmacht des Eisernen Königs beschlich ihn Furcht, denn sie war dem Heer der Gografen um ein Vielfaches überlegen, und was konnten sie schon gegen Wilde Jagd und Karontiden ausrichten? »Nichts«, flüsterte er. Sein Kaltblüter spitzte die Ohren, und er klopfte ihm auf den triefenden Hals. Er ritt wie benommen durch den Regen, die Zügel lose in der Hand. Aber das Pferd schien zu wissen, wohin es ging. Es trabte sicher bergab und wich nicht nur Sturzbächen, sondern auch den Lawinen aus Schlamm und Geröll aus, die auf ihrem Weg in die Tiefe alles mitrissen, was ihnen in die Quere kam. Hans merkte erst mit Verspätung, dass der Kaltblüter angehalten hatte. Sie standen auf den Klippen oberhalb des Welsflusses, der durch das Himmelstor toste, den Anleger fast verschluckt hatte und alles mit Sprühwassernebel erfüllte.
    »Überall Wasser«, murmelte Hans zu sich selbst. »Die Welt säuft ab …« Er wischte sich Regen aus den Augen. »Na, gut, mein Alter, reiten wir in die Schlucht.« Er stieß dem Pferd die Hacken in die Flanken. Der abwärts führende Schlängelpfad war so steil und glitschig, dass er die Augen schloss und sich ganz auf den Instinkt des Kaltblüters verließ. Er lehnte sich weit zurück und stemmte sich in die Steigbügel, um nicht aus dem Sattel zu rutschen. Bei jedem Huftritt durchfuhr ihn ein Ruck, was trotz der Gefahr so einlullend war, dass er wieder in seiner Dumpfheit versank.
    Schließlich hielt der Kaltblüter wieder an. Die Luft war so nass, dass Hans das Gefühl hatte, unter Wasser zu sein. Dann roch er Rauch. Er schüttelte sich, um einen klaren Kopf zu bekommen, und sah unterhalb der Klippen ein Glühen. Sein Pferd schnaubte leise, schien aber keine Gefahr zu spüren. Er saß ab, zog sein Schwert und führte den Kaltblüter am Zügel über den Hang zwischen Fluss und Steilwand. Der Rauch entwich einem Höhleneingang, in dem bis auf das Glühen nichts zu erkennen war. Hans blieb unschlüssig stehen. Sein Mantel klebte am Harnisch, aber am ekelhaftesten war das Wasser, das unter die Rüstung gelaufen war und von dort in Lederhose und Stiefel sickerte. Er merkte, dass er fror, und drückte sich gegen das Pferd, das unbeeindruckt von den Naturgewalten neben ihm stand.
    Da rief jemand: »Herein, wenn es kein Schneider ist!«
    Hans zog die Nase hoch. Er fasste sich ein Herz, packte sein Schwert fester und trat, gefolgt von seinem Pferd, durch den breiten Eingang. Wie sich zeigte, handelte es sich tatsächlich um eine Einbuchtung, sechs Ellen tief und wunderbar gut vor dem Regen geschützt. Hinter dem qualmenden Feuer saßen drei Gestalten: Ein Greis, eine hochgewachsene Dame und ein Wicht, alle mit nacktem, tätowiertem Oberkörper. Hans holte abwehrend mit dem Schwert aus, aber die Frau fing seinen Blick auf – ihre Augen erstrahlten wie Sterne, und er sank ohnmächtig zu Boden.
    Beim Erwachen vernahm er zuerst das Regenrauschen. Dann das Brausen des Welsflusses. Er richtete sich auf. Die drei Gestalten saßen noch da, die Rücken an der

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