Der Eiserne König
Vergeltung.«
Hans bedankte sich und versprach, die Mücken rechtzeitig zu benachrichtigen.
Die erste Mücke stach ihn vor Freude in die Nasenspitze und saugte. »Köstlich«, schnurrte sie. »Also: Bis die Tage.«
Die Mücken flogen davon. Hans sah ihnen nach; dann bat er Zeisig und Sperling, die Gografen über die neugewonnenen Verbündeten in Kenntnis zu setzen. Sie würden sicher lachen – Maulwürfe, Ameisen, Mücken. Aber hatten die Vögel im Traum nicht gesagt, dass Kleinvieh auch Mist machte? Er gab seinem Kaltblüter einen Klaps auf die Kruppe und sagte: »Na, los, mein Alter. Wir kehren zum Heer zurück.«
Nun teilten die Ragnarökk den Regen nicht mehr. Hans ritt auf Knüppelwegen durch den Sumpf, immer nach Osten, der Hohen Heide zu. Er schwankte so sehr zwischen Zweifel und Hoffnung, dass er das Nachlassen des Regens nicht bemerkte. Das Rauschen wurde leiser, und nachdem Hans den Sumpf hinter sich gelassen hatte, flaute das Unwetter zu einem normalen Regenguss ab. Der Boden dampfte wie ein Moor bei Schwelbrand, aus Wacholderdickichten floss Dunst auf die sandige Weite. Im Norden brach die Wolkendecke auf, und zum ersten Mal seit Tagen zeigte sich ein Fleckchen des silbergrauen Himmels.
Hans ritt noch durch das Himmelstor, als der übernächtigte Gograf im Feldlager eine Entscheidung traf. Er kratzte seinen karottenroten Bart, der zu wuchern begann, weil zum Stutzen keine Zeit blieb, ließ sich von seinem Knappen die Rüstung anlegen und verließ den Unterstand. Tropfen prasselten auf den weichen, würzig duftenden Boden des Föhrenforsts, auf dem die Pilze in diesem Herbst überreich gediehen; fast alle waren von den Kriegern verspeist worden. Der Gograf ging zu der Kiefer, an die man Grimm gekettet hatte. Die Wächter schnarchten auf ihre Spieße gestützt, sie schliefen wie Pferde im Stehen. Beim Räuspern des Gografen schraken sie auf und nahmen Haltung an.
»Keine … besonderen Vorkommnisse, Herr«, rief einer.
Der andere zog die Nase hoch und spuckte aus, um den bitteren Geschmack des Schlafes loszuwerden.
»Holt die Muhme«, befahl Hilck von der Usse.
Grimm war wach, seine Miene starr. Wasser troff von seinem kahlen Schädel, lief über die eisgraue Rüstung. Die Kiefer, an die man ihn gekettet hatte, knarrte im Wind. Schließlich traf die Muhme ein, mürrisch wie üblich am Morgen, auf ihren Stock mit dem Schlangenknauf gestützt, die Haube schief auf dem Kopf, die Pfeife zwischen den Zähnen. »Ja?«, knurrte sie und kramte in den Taschen nach einem Kienspan.
»Ich werde Euren Rat befolgen«, antwortete der Gograf. »Ich werde diesen Schurken unter Bewachung zur Esche schicken, damit er den Bart des Eisernen Königs vernichtet.«
»Schön«, sagte die Muhme, humpelte zu einem nahen Feuer und entfachte ihren Kienspan.
»Das kann doch nicht schaden, oder?«, fragte der Gograf und wischte sich Regenwasser aus den Augen.
»Nein«, sagte die Muhme aus einem Mundwinkel, während sie ihre Pfeife entzündete. Sie wedelte den Kienspan aus und warf ihn in die Flammen.
»Werdet ihr mitreiten?«
»Gewiss«, sagte die schmauchende Muhme.
»Ihr seid sehr wortkarg«, brummte der Gograf.
Die Muhme verengte die Augen und sah ihn an; Krähenfüße zogen sich bis zu den faltigen Wangen hinab. »Ja«, sagte sie.
Grimm lachte heiser und schüttelte die Ketten. »Dann macht mich los«, bat er. »Ihr könnt mir vertrauen. Ich will nur meine Rache, und sie gilt nicht euch.«
Der Gograf sah fragend zur Muhme, die mit den Schultern zuckte. »Löst die Ketten«, befahl er den Wächtern. »Und ruht euch aus – falls ihr nicht schon genug geschlafen habt.«
Die Männer gehorchten betreten.
Im Feldlager herrschte frühmorgendliche Hektik, als Hilck von der Usse Gefährten und Anführer in den Unterstand bat. Seine Entscheidung wurde nicht einhellig begrüßt, aber man fügte sich.
»Ich begleite die Muhme«, erklärte Sanne entschieden.
»Wir auch!«, rief Rumpenstünz, und Alwine nickte.
»Schon wieder so ein Todesritt«, knurrte Sneewitt. »Aber gut – ich komme mit. Gefährten müssen zusammenhalten.«
»Ganz meine Meinung«, brummte Meister Grimbart, der alte Kämpe, und erntete einen finsteren Blick des Fuchses.
Vormittags brach man das Feldlager ab und bereitete sich auf den Marsch zum Unkengrund vor. Der Gograf widmete sich derweil Hella, die mehr Übung im Schwertkampf brauchte, wie er fand. Gegen Mittag, die Gefährten wollten gerade aufbrechen, ließ der Regen
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