Der Eiserne König
namenlose Kadaver. Dann wurden Grus und Asche zu Mücken und Ameisen, und sie vernahm ein Flüstern: »Wir haben geholfen, aber wir konnten das Blatt nicht wenden, denn der Feind ist zu stark.« Bald darauf geriet Maleen in einen Schwarm pelziger Wesen. »Wir haben die Welt ins Wanken gebracht«, flüsterten die Maulwürfe, »aber wir konnten das Blatt nicht wenden, denn der Feind ist zu stark.« Dann riefen alle Tiere wie aus einem Mund: »Es gibt keine Wunder! Es gibt nur die Hand, und sie hat fünf Finger!« Das Geheul der sterbenden Esche erklang. Maleen begriff, dass niemand half. Und dass jene, die halfen, zu schwach waren. Die Menschen Pinafors waren auf sich allein gestellt. Maleen war von tiefer Trauer erfüllt. Das Dunkel, das sie umgab, war finster wie der Tod. Aber sie gab nicht auf. Sie musste diesen Weg zu Ende gehen, egal, worin das Ende bestand.
Helmdags Reiterei hatte die Karontiden nicht zurückwerfen, sondern nur aufhalten können, und dies unter schweren Verlusten. Pferde wälzten sich mit aufgeschlitzten Bäuchen am Boden, andere rasten panisch über das Schlachtfeld. Den Bogenschützen, die von der Fusel aus auf die Wilde Jagd schossen, gingen die Pfeile aus, und sie schickten verletzte Krieger los, damit diese die Geschosse wieder einsammelten. Der Kampflärm war ohrenbetäubend laut. Nach dem ersten dumpfen Zusammenprall der Gegner und dem Kreischen sich kreuzender Klingen hallte ein Jaulen wie das verlorener Seelen über den Unkengrund. Die Krieger waren bald taub dafür. Jeder kämpfte mit höchster Kraft und Konzentration und nahm nur noch wahr, was er vor sich sah. Überall lagen Sterbende und Gefallene, und manch einer fand den Tod, weil er über einen der vielen Erschlagenen stolperte und kurz unachtsam war.
Blaubart nutzte seine Überlegenheit, um den Gegner in die Zange zu nehmen. Während die Karontiden, unterstützt von den Kultknechten, wie rasend gegen die Mitte des Heeres anrannten, griffen auf den Flanken all jene Haderlumpen, Raubritter und Schurken an, die sich der Streitmacht aus Habsucht und Machtgier angeschlossen hatten. Wesen der Wilden Jagd fielen mit gebleckten Fängen vom Himmel. Die Front schrumpfte zusammen. Das Heer musste immer weiter zurückweichen und ließ dabei immer mehr Gefallene zurück. Bei Anbruch der Abenddämmerung formierte es sich vor der Fusel zum Halbkreis, um dem Ansturm des Feindes trotzen zu können.
»Wenn du den Eisernen König nicht bald erledigst, sind wir verloren!«, brüllte Hilck von der Usse im Getümmel.
Helmdag sah zum Hügel – dort saß der König reglos auf dem blutroten Streitross, umringt von seiner Leibgarde. Über ihm wehte das Banner mit Kreis, Quadrat und Dreieck. »Wie denn?«, schrie Helmdag und zeigte auf die von allen Seiten anrennenden Feinde.
Harlungs Streitaxt sauste unablässig durch die Luft. Sneewitt kämpfte mit dem Schwert neben Rumpenstünz und Hans. Inzwischen war so viel Blut vergossen worden, dass der über dem Unkengrund hängende Dunst rötlich schimmerte und der Boden glitschig war. Noch hielten die Männer aus Flutwidde, dem Lohwald und von der Hohen Heide stand. Am Ufer der Fusel kam der Fuchs aus der hohlen Weide, in der er sich versteckt hatte, und keckerte: »Was ist los mit euch, ihr Bartelmäuler? Seid ihr gekommen, um zu helfen oder faul im Fluss zu dümpeln? Merkt ihr nicht, wie es steht?«
Der alte Waller hob den Kopf aus dem Wasser und erwiderte: »Wir sind zahlreich, aber der Feind ist unzählbar. Sobald wir alle Kräfte gesammelt haben, helfen wir.«
Reineke Fuchs ließ den Blick über die dicht an dicht im Fluss liegenden Welse gleiten. Er schnaubte verärgert und schnürte zu Meister Grimbart, der einen Schnitt am linken Hinterlauf leckte. Aberdutzende von Verwundeten stöhnten und schrien oder dämmerten am Ufer dem Tod entgegen.
»Was hat die Macht, dass Hunderte oder gar Tausende dafür sterben müssen?«, seufzte der Fuchs.
»Wir kämpfen nicht um Macht, sondern für Freiheit von der Knechtschaft«, erwiderte der Dachs grimmig und humpelte wieder in die Schlacht.
»Gestorben wird trotzdem«, rief ihm der Fuchs nach.
Das Heer war zurückgewichen, aber seine Reihen waren noch geschlossen. Schließlich brachen erste Karontiden durch und wüteten unter den Kriegern, bis sie von den restlichen Reitern erschlagen wurden. Eine drang bis zum Ufer vor, wo sie von einer Lanze durchbohrt in den Fluss stürzte. Reineke Fuchs wich ihr quiekend aus.
Die schwergerüstete Karontide trieb
Weitere Kostenlose Bücher