Der Eiserne König
Himmel mit der langmütigen Erde lieferte. Sie klapperten mit den Zähnen, ihre Augen waren gerötet, die Waffen griffbereit. Sneewitts Kaltblüter wandte dem Unwetter die breite Kruppe zu und stand da wie ein Fels in der Brandung.
Aber weder Grimm noch die Jünglinge ließen sich blicken. Gegen Morgen flaute der Sturm ab. Letzte Böen schüttelten Laub und Tropfen von den Bäumen. Als sich die fahle Sonne zwischen den wie aus Blei gegossenen Wolken zeigte, glich das einem ersten fröhlichen Blick nach vielen Tränen. Sanne und Hardt, nass bis auf die Haut, schliefen ein, wo sie saßen. Kunz erhob sich mit knackenden Gelenken und ging in den Wald. Er kehrte nicht nur mit Feuerholz, sondern auch mit den Schimmeln der Jünglinge zurück. Sie trabten hinter ihm her und gesellten sich zum Kaltblüter, den sie leise wiehernd beschnupperten.
»Sie standen brav zwischen ein paar Kopfweiden«, berichtete Kunz, während er das Holz aufschichtete. »Grimms Rappe fehlte. Weiß der Himmel, wo diese Bastarde stecken.«
»Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte Hans. »Aber der Dämon, der uns gestern Nacht überfallen hat, ist Grimm, der Anführer unserer Räuberbande. Ich dachte, er wäre tot. Verbrannt oder ertrunken. Er kam mir vor wie ein Gespenst.« Er schüttelte ratlos den Kopf.
Das Holz war nass und wollte nicht brennen. Kunz pustete in die Flammen. »Ich schätze, wir sind die Kerle los«, sagte er. »Dein Grimm hat die Hose offenbar voll.«
»Das haben wir neulich schon geglaubt«, murmelte Hans.
»Hat er dich auch erkannt?«
»Ich denke nicht. Aber seine pupillenlosen, roten Augen sind so ausdruckslos wie die eines Tieres.«
Da kam Sneewitt herbei. Sie hatte vor Müdigkeit Ringe unter den Augen. »Horn fiebert«, murmelte sie.
»Hier gibt es weit und breit kein Dorf«, sagte Hans besorgt.
»Und das Mädchen?«, fragte Sneewitt.
»Ach, dieses verflixte Mädchen«, knurrte Kunz und trat vom Feuer zurück, das endlich anständig zu brennen begann. »Mir ist kalt, und ich bin hungrig. Ich habe gerade keine Lust, mir den Kopf über sie zu zerbrechen.«
Sneewitt starrte in die Flammen. »Ich gehe auf Jagd«, sagte sie mit einem Seufzer und griff nach ihrem Bogen. »Danach brauche ich Schlaf. Viel Schlaf.«
»Ich komme mit und suche die Kaltblüter«, sagte Hans. »Sie sind bestimmt noch in der Nähe.«
Kurz darauf verschwanden die beiden im Wald.
Gegen Mittag hatte sich die Bewölkung aufgelockert, aber die Sonne hatte kaum Kraft. Die Gefährten saßen am Feuer, die nassen Decken über den Schultern. Die Kaltblüter, einer von ihnen mit verwundeter Flanke, grasten gemeinsam mit den Schimmeln am Ufer des Dunkelpfuhls. Horn lag fiebernd unter der Trauerweide, und Kunz drehte den Spieß mit dem von Sneewitt erlegten Reh.
»Fabelhaft«, murrte er. »Horn ist verwundet, das Mädchen unauffindbar, und die zwei Tiere sind verschwunden.«
Niemand erwiderte etwas. Sneewitt schlief; sie hatte ihren Kopf auf Hardts Schulter gebettet. Sanne lag neben Horn in der Weide und schlief ebenfalls tief und fest.
Hans untersuchte Grimms Helm. »Stahl aus den Ländern des Westens,« sagte er und tippte auf eine Gravur. »Dieser Helm ist uralt, denn der Weg nach Westen ist seit der Herrschaft des Eisernen Königs nicht mehr beschritten worden.«
Hardt sah ihn müde an. »So?«, fragte er. »Und?«
»Solche Rüstungsteile sind Seltenheiten«, sagte Hans. »Wir haben einmal einen Händler überfallen, der Beinschienen und Brustharnisch mit sich führte. Daher kenne ich die Gravur. Und wisst ihr, wo ich sie zum zweiten Mal gesehen habe? In einem Flur des Hauses der weisen Weiber. Dort stand eine Rüstung aus diesem Stahl.«
»Weiber haben es gern gemütlich«, brummte Hardt. »Und zur Gemütlichkeit gehört Zierrat.«
»Eine Rüstung als Zierrat?«, fragte Kunz. »Wie niedlich.« Er schnitt probehalber ein Stück Fleisch ab.
Da ertönte ein Knacken im Wald. Die Gefährten erschraken. Ihre Blicke flogen herum. Sie griffen nach den Waffen.
Im nächsten Augenblick tauchte Meister Grimbart aus dem Unterholz auf. »Holla, Leute!«, rief er. »Da sind wir wieder! Und wir haben jemanden mitgebracht!«
Sneewitt schlief sofort wieder ein. Die Männer senkten die Schwerter. Sie staunten nicht schlecht, als ein Maultier erschien. Die Reiterin trug einen schwarzen Mantel und eine Haube, die ihr Gesicht verdeckte. Hans’ Herz tat einen Satz, weil er Barbera erwartete. Die Frau zügelte das Maultier. Der Fuchs sprang von ihrem
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