Der Eiserne König
eine Braue und warf Hardt einen spöttischen Blick zu: »Sieh mal an. Die Herren stehen auf kleine Dickmadames. Dann habe ich ja nichts zu befürchten.«
»Frauen, die mir Äpfel aus der Hand schießen – und mögen sie noch so bezaubernd sein –, ziehe ich als Partnerin nicht in Betracht«, erwiderte Hardt.
»Ach?«, fragte Sneewitt verächtlich. »Bildest du dir etwa ein, dass ich
dich
als Partner in Betracht ziehen würde, du eitler Gockel?«
»Glaubt ja nicht, dass ich mir für euer Vergnügen Haare ausreiße oder Perlen weine«, sagte Sanne zu den Männern. »Das unterstütze ich nicht.«
»Bitte, bitte, bitte«, flötete Hardt. »Wenigstens ein bisschen Silber.«
Horn lachte glucksend.
»Ihr seid wirklich widerwärtig«, fauchte Sneewitt.
»Wir sind müde und gereizt«, sagte die Muhme. »Ich halte es für eine gute Idee, in einem weichen Bett zu übernachten und richtig auszuschlafen, bevor wir uns in den Greting wagen.«
»Meine Rede«, brummte Kunz.
Während die restlichen Gefährten schweigend weiterritten, galoppierte Hans auf einen Hügel. Oben angekommen, ließ er den Blick über die grasige Landschaft gleiten, die sich nach Westen zum Greting schwang. Zerklüftete Gipfel ragten am Horizont auf, und zwischen zwei Hügelrücken zeigte sich das spiegelblanke Band des Welsflusses. Im Norden fielen graue Regenschleier auf die Erde. Säulen aus Sonnenlicht stießen durch die Wolken.
Da erschien der Fuchs im Grasland. »Der Heerweg ist nahe!«, rief er.
Hans überhörte ihn. »Was tue ich hier?«, fragte er, plötzlich von Zweifeln gepackt. »Warum riskiere ich mein Leben, um die Esche zu finden? Ich könnte eine Familie gründen, ein Haus bauen, einen Baum pflanzen und bis an das Ende meiner Tage glücklich und zufrieden leben.« Er erinnerte sich an den Abend, als ihn Barbera zu sich gebeten hatte. Er erinnerte sich an ihren Duft, ihre schlanken Finger, ihre Augen, und er seufzte.
»Ja, ja, ja«, erwiderte der Fuchs. »Da kam eine Maus, und das Märchen war aus. Nein, nein, nein – du bleibst hübsch hier und hilfst uns, die Welt zu retten.«
»Du Held!«, rief der Dachs, der ebenfalls angetrabt kam. »Ich musste dich damals zu deinem Glück zwingen.«
Hans blickte ins Leere und dachte an Barbera. »Vielleicht tue ich all das nur«, ging es ihm durch den Kopf, »weil ich mich ihr beweisen will …«
Gegen Abend erreichten sie den Heerweg und folgten ihm nach Norden, bis die Herberge ›Zur munteren Matrone‹ in Sicht kam. Aus den Schornsteinen quoll Rauch, die Fenster waren erhellt. Die Herberge schien ebenso voll zu sein wie die Schenke im Dorf an der Fusel.
»Wer kehrt hier noch ein?«, fragte Horn, als sie die Pferde in den Stall führten. »Händler und Kaufleute jedenfalls nicht.«
»Schafbauern, Hirten, Flößer, Fischer, Treidler«, sagte Kunz. »Einheimische, die Gold scheißen und sich einen faulen Lenz machen.«
Sanne sah ihn aus ihren Kulleraugen vorwurfsvoll an.
Die Schankstube war dicht besetzt und stank nach Bier, Schnaps, Schweiß und süßem Parfüm. Auf der Treppe, die zu den Gästezimmern führte, saßen dralle Dirnen. Andere Mädchen schmiegten sich an die Zecher und verführten sie zum Trunk. Die Wirtin, eine gealterte Version der munteren Matrone, die das Herbergsschild schmückte, schenkte hinter der Theke aus.
Hardt sah sich beglückt um. »Das ist das Paradies«, flüsterte er und kniff im Vorbeigehen einer Dirne in den Hintern. Sie kreischte auf und warf ihm eine Kusshand zu.
»Wo hat die Wirtin diese Bräute aufgetrieben?«, fragte Horn und rieb sich die Augen.
»Sie ist bestimmt eine Zauberin«, zischte Sneewitt, »die ein Dutzend Säue in Mädchen verwandelt hat.«
Hardt setzte sein charmantestes Lächeln auf: »Nur ein paar Tränen«, flehte er Sanne an.
Sie schüttelte den Kopf. Dann zupfte sie einige Haare aus und reichte sie der Muhme, damit diese die Wirtin für die Nacht bezahlen konnte.
Als sie mit Waffen und Gepäck die Treppe zu den Zimmern hinaufstiegen, zwinkerten die auf der Treppe hockenden Mädchen den Männern zu. Hans stutzte beim Anblick einer der Frauen – sie kam ihm bekannt vor, aber er konnte sie nicht einordnen. War er ihr auf einem Raubzug seiner Räuberbande begegnet?
Im Flur mit den Gästezimmern sagte Sanne: »Ich bleibe hier oben, damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt.« Sie knallte die Tür hinter sich zu.
Maleen und die Muhme, die sich von einer Magd Essen auf ihr Zimmer bringen lassen wollten, taten es ihr
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