Der Eiserne König
einem Aufschrei gegen die ohnmächtige Sanne und schlug die Hände vor das Gesicht; Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor. »Tötet sie! Alle beide! Tötet sie!«, schrie sie mit erstickter Stimme.
Die Kultknechte gingen auf die Jungfer los, die ihren Hieben mit hurtigen Sprüngen auswich. Eisenhans warf die Peitsche weg und riss einen Schürhaken aus dem Kohlebecken, der bei jedem seiner Schläge einen rotglühenden Schweif hinter sich herzog.
Die drei entflohenen Gefährten sahen aus ihrem Versteck zu.
»Oh«, piepste die Eichhörnchendame. »Sie zerfleischen sich gegenseitig.«
»Und wir können immer noch nicht eingreifen«, sagte Hardt.
»Hätte ich nur meinen Zweihänder …«, murmelte Kunz.
»Da«, hauchte die Eichhörnchendame und zeigte zur Höhle.
Die Augen der Karontiden loderten auf. Sie reckten den Schwanz und schnüffelten, von Kampf, Blut und Geschrei aus ihrer Trägheit geweckt. Die erste setzte sich in Bewegung und fegte einen Kultknecht mit einem wuchtigen Prankenhieb gegen die Felswand.
»Ja-ha-ha-haaaaach!«, jubelte die Jungfer. »Helft eurem guten Mütterlein, meine Süßen! Helft …« Sie verstummte entsetzt, als eine zweite Karontide auf sie zustürmte, und wich mit einem Hechtsprung aus.
Eisenhans knallte dem Ungeheuer den Schürhaken gegen den Hinterkopf, aber die Karontide grunzte nur und wirbelte zu ihm herum. Er floh mit wehenden Zottelhaaren, während eine andere Karontide einen Kultknecht mit einem Schlag ihres Schwanzes zur Esche schleuderte; er krachte dicht neben den Gefährten zwischen die Wurzeln, wo er reglos liegen blieb.
»Diese Biester sind unbesiegbar«, hauchte Horn.
Barbera stand entgeistert da und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Dann wich sie langsam zur Esche zurück und huschte in das Wurzellabyrinth.
In der Marterhöhle ging der ungleiche Kampf weiter. Ein Kultknecht nach dem anderen fiel der Raserei der Karontiden zum Opfer. Sneewitt verlor wieder das Bewusstsein, und die drei Gefährten und die Eichhörnchendame verfolgten das Gemetzel mit wachsendem Grauen. Schließlich warfen die Ungeheuer den Schädel in den Nacken und röhrten laut. Sie wandten sich zu Hans, Sanne und Sneewitt um, die immer noch wie tot in den Gestellen hingen, aber ihre Mordlust schien gestillt zu sein. Jede packte einen Kultknecht am Bein und schleifte ihn über den Felsboden in die Grotte. Bald darauf vernahmen die verborgenen Gefährten ein Sappschen und Schmatzen, ein Knacken und Knurpseln.
Hardt, dem kalter Schweiß auf die Stirn trat, zupfte panisch am Schnurrbart. »Grauenhaft«, stieß er hervor.
»Der Weg ist frei«, flüsterte die Eichhörnchendame.
»Los«, befahl Kunz. »Wir müssen unsere Freunde befreien.«
Sie krochen die wenigen Ellen bis zum Rand des Labyrinths, sprangen über eine letzte Wurzel und hasteten, Blicke nach links und rechts werfend, zur Marterhöhle. Dort hob Kunz den erkalteten Schürhaken auf und drückte ihn Horn in die Hand. »Halt Wache«, sagte er und ging zu den gemarterten Gefährten. Er legte jedem ein Ohr auf das Herz und musterte die Wunden. »Sie leben«, erklärte er und wischte die Finger am Wams ab. »Aber sie sind böse zugerichtet.« Er senkte den Kopf; fast schien es, als müsste er die Tränen unterdrücken.
»Sie können sicher nicht laufen«, sagte Hardt. »Wie sollen wir sie von hier fortschaffen?«
Kunz zuckte mit den Schultern. Er ließ seinen Blick über die Marterwerkzeuge, die Eisenkörbe mit den glühenden Kohlen und die erschlagenen Kultknechte gleiten. »Feige«, zischte er und trat eine neunschwänzige Katze gegen die Wand. »Feige und erbärmlich.«
»Ja, das ist wahr«, murmelte Hardt. Er nahm ein Messer und kappte Sannes Fußfesseln. Gemeinsam mit Kunz löste er sie ganz aus dem Gestell und ließ sie behutsam zu Boden gleiten. Dort blieb sie auf der Seite liegen, übersät von Striemen und Wunden; aus einer Platzwunde auf der Stirn tropfte Blut.
»Alles ruhig?«, rief Kunz leise.
»Ja«, antwortete Horn, der die Grotte im Auge behielt.
Sie befreiten Sneewitt. Sie öffnete ihre pechschwarzen Augen und lächelte sie an. Dann wurde sie wieder bewusstlos.
»Wo ist das Eichhörnchen?«, fragte Hardt.
»Keine Ahnung«, erwiderte Kunz, der zu Hans ging und das Messer an einer Fußfessel ansetzte.
Da klirrte etwas zu Boden. Der Hall sprang durch die Höhle. Hardt und Kunz fuhren herum. Sie erblickten Eisenhans, der Horn einen Dolch gegen den Hals drückte. Die Jungfer, das Eichhörnchen in der Faust,
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