Der Eiserne König
wir diesen unbehaglichen Hag?«
Der Waller ließ die Kiemen flattern. Er blubberte vor sich hin. Dann sprach er: »Der Zauber, der diesen Hag erschaffen hat, beruht auf dem Blut und den Tränen von elf Jungfrauen. Und nur eine Jungfrau kann ihn brechen.« Er hob das breite Maul aus dem Wasser und sah die Muhme an. »Bist du eine Jungfrau?«, fragte er.
Das runzelige Gesicht der Muhme lief tomatenrot an. Sie zog ihre Haube in die Stirn und paffte verbiestert.
Maleen war bedrückt, denn sie ahnte, dass man ihr wieder etwas abverlangen würde. Schließlich bekannte sie trotz der Erschöpfung: »
Ich
bin Jungfrau.«
Der alte Waller betrachtete sie lange. Dann sprach er: »Ich spüre, dass du Zugriff auf die grüne Kraft der Erde hast, Mädchen. Wir wollen mit vereinten Kräften versuchen, den Bann zu brechen.«
Im Westen begann die Sonne zu sinken, und der Schatten des Hags fiel immer länger und dunkler auf Fluss und Ufer.
Harlungs Axt pfiff waagerecht durch die Luft und kappte die aufwärts geschwungenen Brustfortsätze einer Karontide. Er nutzte den Schwung des Hiebes und wirbelte geduckt um die eigene Achse. Eine Pranke sauste über seinen Kopf. Im nächsten Atemzug sprang er auf und rammte dem Ungeheuer das Schwert von schräg unten in die Brust. Die Schuppenhaut platzte, als er die Klinge herausriss. Die Karontide ging zu Boden; ihre gelben Augen flammten auf, verfärbten sich zu Orangerot und erloschen.
Aber das war nur ein kleiner Sieg in einem verbissenen Gefecht. Die Köhler gerieten durch den Gegenangriff der von Grimm geführten Truppe stark unter Druck. Gebrüll hallte in der Grotte; Eschenlaub wirbelte über dem Getümmel. Kunz und Horn, die zuerst ihre Gefährten in Sicherheit gebracht hatten, knieten neben Hardt, der mit durchbohrten Lungen im Sterben lag.
Die Eichhörnchendame saß im Wurzellabyrinth und sah dem Kampf aus schreckgeweiteten Knopfaugen zu. Ihr erster Impuls bestand darin zu fliehen. Aber wie zuvor gewann ihr Wunsch zu helfen die Oberhand: Sie rang die Pfötchen und schätzte die Entfernung bis zur Marterhöhle ab – es waren ungefähr fünfzig Sprünge, die mitten durch das Gefecht führten. Die Eichhörnchendame fasste sich ein Herz, hüpfte von der Wurzel und flitzte los. Sie befand sich sofort in einer Wolke aus Staub und Dreck. Pranken, Füße und Pfoten führten einen wilden Tanz auf. Blut strömte zu Lachen zusammen. Nach wenigen Ellen kam die Eichhörnchendame Köhlern in die Quere, die sich mit Mühe der Kultknechte erwehrten. Diese sprangen durch die Luft, hieben von oben nach ihren Gegnern und wechselten blitzschnell die Position, um von einer anderen Seite anzugreifen. Die Köhler, auf die Schläge wie Blitze aus einer Gewitterwolke niedergingen, bluteten aus vielen Wunden und fochten in ihrer Not Rücken an Rücken.
Das Eichhörnchen fiepte entsetzt und schlug einen Haken, nur um nach wenigen Sprüngen unter den schuppigen Leib einer Karontide zu geraten, die einen Kampf mit einem Braunbären ausfocht. Der auf den Hinterläufen stehende Bär erwischte das Ungeheuer mit einem Tatzenhieb am Schädel, und das Eichhörnchen sprang panisch hin und her, um dem auf den Felsboden peitschenden Schwanz zu entgehen, durch den sich die Karontide wieder ins Gleichgewicht brachte. Ihr mit voller Wucht ausgeführter Gegenangriff warf den Bären um. Er überschlug sich, kam brüllend auf die Beine, wich der auf ihn zustürmenden Karontide erstaunlich behände aus und schnappte nach ihrer ungedeckten Flanke; sie röhrte, als ihre Schuppenhaut aufriss.
Die Eichhörnchendame eilte weiter, sah sich aber kurz darauf der Jungfer gegenüber, die das Tierchen mit einem verdutzten Blick streifte. Dann beugte sie sich über einen erschlagenen Köhler. »Huh-hah-huuunger!«, kreischte sie und wollte sich am Blut des Toten laben. Die Eichhörnchendame bremste ab, aber bevor sie ausweichen konnte, sprang ein Wolf mit einem gewaltigen Satz über sie hinweg. »Vaah-haat-herr!«, schrie die Jungfer, als ihr das Raubtier an die Kehle ging. Das Eichhörnchen umkurvte die strampelnde und gurgelnde Blutsäuferin und gab Fersengeld.
Beim Anblick des Wolfes, der die Jungfer zerfleischte, warf Eisenhans den Speer weg und floh zur Esche.
Die Marterhöhle war noch ein gutes Dutzend Ellen entfernt, und die Eichhörnchendame, deren Pelz von Staub und Blut verkrustet war, rannte darauf zu. Kurz vor dem Ziel geriet sie in einen Kampf, den Keiler und Wölfe gegen ein Dutzend Kultknechte führten. Das
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