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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Aberhunderte von Remade in jeder nur vorstellbaren Verzerrung der menschlichen Gestalt. Heizer, Mechaniker und Bremser, gewesene Schreiber, die wenigen Aufseher, die früh genug die Seiten gewechselt haben, Jäger, Brückenbauer, Kundschafter und die Forscher, die ihre Laboratorien nicht verlassen wollten, die Huren, Tunnelgräber, Volksmagier, Wahrseher und mindere Kadabristen, die arbeitslosen Nomaden, die an den Gleisen schmarotzen und nun plötzlich Bedeutung haben, und viele, viele Schienenleger.
    Ihr Reichtum und ihre Geschichte sind eingebettet in den Zug. Sie sind eine rollende Stadt. Dies ist ihre große Stunde aus Eisen und Maschinenöl. Sie haben die Kontrolle. Eiserner Rat. Die Reise des Rats nimmt ihren Anfang.
    Es ist die gleiche Bewegung, die sie bis hierher gebracht hat. Genau die gleiche. Wagen mit Schwellen und Schienen rollen, die Kolonnen legen hin, richten aus, die Schienen werden herabgezogen, getragen, platziert und in exaktem Rhythmus die Nägel eingeschlagen, eins, zwei, drei, weg. Die Planierer eilen ihnen weit voraus. In dieser tischebenen Gegend gibt es keine großen Hindernisse zu überwinden, und sie räumen nicht mit der gleichen Sorgfalt auf wie vorher.
    Die gleiche Bewegung und doch absolut neu. Die Eile ist rauschhaft. Das Tempo schneller im Quadrat. Die Schwellen werden in erheblich größerem Abstand gelegt, gerade ausreichend, um den Zug zu tragen. Dieses Gleis ist nicht für die Dauer bestimmt. Die Bettung, die sie bauen, ist nur eine Skizze, ein Schatten in der Landschaft. Der Zug tastet sich schrittweise voran wie ein Kind.
    Sobald hinter dem letzten Puffer die Schienen wieder zum Vorschein kommen, blank gerieben vom Gewicht des Zuges, heben die Frauen und Männer sie auf. Von Maultieren werden sie an den Magazin- und Werkstattwaggons vorbeigeschleppt, wo Reserven hoch aufgestapelt auf Verwendung warten, über die Strecke hinaus und den Zug, nach vorn, ins grelle Licht der Lokscheinwerfer. Und dort werden sie abgeladen. Und die Schienenleger legen sie wieder hin.
    Viele Meilen Gleis, wieder verwendet und wieder, des Zuges Zukunft und Gegenwart. Die Schienen verlieren mit jedem Mal an Glanz, den die Geschichte gewinnt, und werden erneut aufgehoben und werden eine neue Zukunft. Der Zug trägt seine Gleise mit sich, nimmt sie auf, legt sie hin: ein Splitter, ein Augenblick Eisenbahn. Keine in die Zeit gekerbte Linie, sondern zufällig und flüchtig, sich wiederholend unter dem Zug, nur einen Abdruck im Staub hinterlassend.
    Sie streben in einem Tempo voran, das all ihre früheren Leistungen in den Schatten stellt. Eine Meile am Tag war ihr Maßstab gewesen, und nun schaffen sie ein Vielfaches davon. Nun wird die hünenhafte Remade, die man vorher wegen ihrer Ein-Hammerschlag-Technik als entartet beschimpfte und von der Strecke fern hielt, genau wegen dieser Fähigkeit hoch geschätzt. Die Schienen wandern in stetem Kreislauf von hinten nach vorn. Das Gleis ragt an beiden Enden einige hundert Meter über den Zug hinaus.
    - Die Gendarmen kommen.
    Judah geht mit dem Abrisstrupp nach hinten.
    - Ich will das mit einem Golem tun, sagt er. Er berührt die provisorische Brücke, sendet seine Kraft aus, in den Stahl, erweckt ihn zum Quasi-Leben. Niemand achtet auf ihn. – Ich will aus diesem Gleis einen Golem machen. Diese Schienen sollen die Konduktoren sein.
    Er hört das Knacken von aufgestörtem Metall, das versucht, sich zu strecken und die geforderte Gestalt anzunehmen. Ein Schauder durchläuft ihn. Seine Kraft reicht nicht aus. Die Gefährten erklettern die schwankende Brücke, verschwinden in der gegenüberliegenden schwarzen Öffnung im Berg. Nicht einen Golem bereiten sie vor, aber eine Intervention.
    Judah kehrt zu dem Zug zurück, der auf der Ebene rangiert, in Richtung Cobsea. Er wechselt allmählich die Richtung. Ein volkstümliches Komitee, eine delegierte oder lauthals sich Gehör verschaffende Gruppe hockt auf dem Dach des Führerstands und dirigiert die Gleisbauer. Sie biegen von der unsichtbaren Trasse ab, an deren Ende der fatamorganische Bestimmungsort Cobsea ihrer Ankunft harrt. Unter ihren Hammerschlägen, ihrem Augenmaß, beschreibt der Ewige Zug einen Bogen.
    Judah hilft den Trupps, die Gleise aufheben und vorne anfügen, in einer weiten Kurve West-Nordwest. Der neue Kurs führt in die Wildnis, in den weißen Fleck auf ihren Landkarten. Der Zug entreißt sich der Domestikation, wird zum Vagabunden. Judah kann nicht atmen.
    (Viel später hört er das Krachen und

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