Der Eiserne Rat

werde etwas in petto haben. Außerdem gibt es hier jemanden, der weiß, was zu tun ist. Der mit der Magie der Teshi vertraut ist.«
    »Ich weiß, ich weiß«, meldete Qurabin sich plötzlich zu Wort, überlaut. »Der Augenblick, den ich verehre, wird mir Antworten geben. Wird mir helfen. Wir haben es mit Tesh-Magie zu tun. Mein Augenblick kennt die Götter, die dieser Konsul versuchen könnte anzurufen.«
    »Konsul?«, fragte Madeleina, und als Judah ihr erklärte, Spiral Jacobs sei der Botschafter von Tesh in New Crobuzon, stieß Curdin ein unfrohes Lachen durch die Nase.
    »Diese Teshi halten also alle Fäden in der Hand?« Er trat auf seinen unkoordinierten vier Beinen dicht an Judah heran. »Du wirst sterben, Judah«, sagte er. Sein Tonfall verriet aufrichtiges Bedauern. »Wenn du Recht hast, bedeutet es deinen Tod. Viel Glück.«
    Curdin schüttelte jedem die Hand und ging. Madeleina ging mit ihm.

 
Kapitel 29
     
     
    Der Wärmeeinbruch mitten im Winter war mit ungewöhnlich für die Jahreszeit nicht ausreichend beschrieben, »unnatürlich« traf es besser. Die laue Schwüle von Eingeweiden kroch durch die Straßen. Die Freunde waren mit Toro unterwegs.
    Zwei Nächte hindurch gingen sie hinter Ori her, der überall stehen blieb und die Graffiti studierte. Mit jeder Nacht, in der es nicht gelang, Spiral Jacobs aufzuspüren, steigerte sich Qurabins Verzweiflung. Toro zeichnete mit dem Finger die Windungen der Spiralen nach, fand einen Hinweis, nickte, stemmte sich mit dem gehörnten Haupt gegen die Mauer und blieb lange Minuten verschwunden. Kehrte zurück und schüttelte den Kopf: Nein, nichts.
    Einmal entdeckte er ihn tatsächlich, aber ganz im Norden der Stadt, in der vornehmen Stille von Flagg Hill, wo er seine hermetischen Helikes malte und sich um Ori nicht kümmerte. Für die anderen gab es keine Möglichkeit, zu ihm zu gelangen. Ori verfolgte Spiral Jacobs durch die ganze Stadt, doch bis sein Weg ihn wieder nach Dog Fenn führte, war es nur Ori möglich, ihn zu erreichen, und er allein konnte nichts tun.
    Tag für Tag lebten sie in dem Bewusstsein, dass der Betreiber des Untergangs der Stadt unbehelligt sein Werk vollenden konnte, dass sie keine Möglichkeit hatten, seinem Treiben Einhalt zu gebieten. Sie bemühten sich, so gut sie konnten, die Straßen des Kollektivs zu schützen. Vom Flussufer aus beobachteten sie ein Duell zwischen zwei Zügen auf der Dexter Line, einer besetzt mit Kollektivisten, der andere mit Miliz, die sich in voller Fahrt gegenseitig unter Beschuss nahmen.
    Aus der Stadt des Parlaments erfolgte ein Blitzangriff mit Luftschiffen, die Flugblätter abwarfen. ANHÄNGER DES SO GENANNTEN »KOLLEKTIVS«, stand da. DIE REGIERUNG VON BÜRGERMEISTER TRIESTI IST NICHT GEWILLT, DAS MORDEN UND DIE TERRORISTISCHEN UMTRIEBE ZU DULDEN, DIE IHR IN DER STADT ENTFESSELT HABT. NACH DEM VERABSCHEUUNGSWÜRDIGEN ANSCHLAG AUF DEN TURM IN BARRACKHAM GILT JEDER BÜRGER, DER NICHT AKTIV DIE TERRORISTISCHE ENKLAVE ZU VERLASSEN SUCHT, ALS KOMPLIZE DER STAATSZERSETZENDEN AKTIVITÄTEN EURER KOMITEES. NÄHERT EUCH UNSEREN TRUPPEN UNBEWAFFNET, MIT ERHOBENEN HÄNDEN, UND TEILT DURCH RUFEN MIT, DASS IHR EUCH ERGEBEN WOLLT … Und so weiter und so fort.
    Die dritte Nacht. Wieder auf der Straße, zusammen mit Hunderten von Kollektivisten aller Rassen, eine letzte Welle der Mobilisierung. Kleine magische Tändeleien, Lichtgauklerei, Chromathaumaturgie erfüllte die Luft mit Vogelschwärmen aus magischem Luster. Die Rebellen machten diese Nacht zu einem Karneval, wie es früher einmal Brauch gewesen war.
    Überall sah man Leute rennen, wegen der Nachricht einer Invasion der Miliz, einer aufflackernden Panik, einem Gerücht, wegen gar nichts. Man trank, tat sich gütlich an den zweifelhaften Gaumenfreuden der Kriegsküche und dem, was man durch die Postenkette der Miliz hatte schmuggeln können. Es herrschte die festliche Stimmung eines Jahrtausendwechsels. Feiernde prosteten Judah und Toro und Cutter und den anderen zu, wenn sie im Schein der matt brennenden Gaslaternen vorbeigingen, hoben Krüge mit schwarzgebranntem Whisky und Bier und ließen sie hochleben im Namen des Kollektivs.
    Qurabin stöhnte. Leise, aber immer hörbar.
    »Etwas ist im Gange«, sagte Cutter zu niemand im Besonderen.
    Bohrum Junction, wo Häuser sich zu einem Keil altertümlicher Architektur gruppierten, zwei Ecken weiter ein trockener Springbrunnen, wo Kriegswaisen mit Schnellern spielten und einem Hund, der zu krank war, um ihn zu essen,