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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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beobachten, wie das Schiff plötzlich hin und her geworfen wurde, ganz wie ein Dampfer auf stürmischer See, sich dann jäh aufbäumte, einige Herzschläge lang verharrte und zu fallen begann. Für die Zuschauer sah es aus, als folgte es nicht der Schwerkraft, sondern setzte sich zur Wehr, als ob die Motoren und Propeller sich mit äußerster Kraft gegen einen unsichtbaren Feind sträubten. Das Luftschiff wurde von einer grausamen Hand aus dem Himmel gerissen und in Stücke gebrochen.
    Schemen entstanden rings um die näher kommende Miliz, aus dem Wind geboren oder der Erde oder dem Feuer der Fackeln, die sie trugen. Die Soldaten waren unterdessen so nahe gekommen, dass man sie auch vom Boden aus sehen konnte. Alle bewegten die Hände, vollführten gestikulierende Beschwörungen. Cutter sah die zerlumpten Uniformen, die gespaltenen und gesplitterten Helme, Kratzer und Torquesflecken, wo Leder zu etwas anderem mutiert war. Die Pferde waren scheckig von Blut und Schweiß. Der Weg durch den Malakornukopischen Fleck hatte sie gezeichnet.
    Er schätzte sie auf etliche Dutzend Mann, der Rest, die Übriggebliebenen nach dem Blutzoll, den der Malakornu gefordert haben musste. Von den Schrecknissen um den Verstand gebracht, besessen von dem Wunsch, Vergeltung zu üben an diesen Renegaten, deren Flucht sie gezwungen hatte, ihnen in das Tausendplagenland zu folgen. Kein Wunder, dass sie mit leichter Bewaffnung kamen, und in so geringer Zahl. Sie brauchten weder Tross noch Artillerie; ihre Waffen schufen sie aus dem Äther und ubiquitärer Materie.
    Cutter sah ihre arkanen Peitschen. Er sah, wie sie den Wind formten. Er wusste, es waren Luftgeister gewesen, die die Wyrmen und das Aerostat vernichtet hatten, Elementarwesen mit gewaltiger Macht. Dies war eine Einheit von Invokatoren, deren Waffen die Wesenheiten waren, die sie beschworen. Dompteure der übernatürlichen Art. Ein Kader von Elementarii.
     

     
    Elementarii. Cutter rief es zu seinen Chaverim hinunter. Er sah, dass einige ihn hörten und verstanden. Unwillkürliche Gebärden verrieten tiefes Erschrecken.
    Im Eisernen Rat gab es keine Elementaristen. Ein Mann hatte einen kleinen dienstbaren Yag, der in einem Marmeladenglas wohnte, ein Feuergeist, nicht größer als ein Streichholzflämmchen. Die wenigen Vodyanoi mit einer Undine lebten mit dieser in einverständlicher Symbiose, sie konnten ihr nicht befehlen. Doch man begriff, womit man es zu tun hatte.
    Die Elementarii schwärmten aus, jede Untergruppe bereitete ihre spezielle Anrufung vor. Es war zu erwarten, dachte Cutter. Truppen, die eine Schlacht gewinnen können, ohne sich mit schwerer Bewaffnung zu belasten. Es konnten nur entweder Elementaristen sein oder Karzisten, und Dæmonen sind notorisch unzuverlässig. Gottsverdammich, ein Kader Elementaristen. Dass New Crobuzon bereit war, den Verlust dieser mächtigen Adepten in Kauf zu nehmen, zeigte, wie sehr die Regierung wünschte, den Eisernen Rat vom Angesicht der Erde zu tilgen.
    »Los, los, versuchen wir’s!«, rief er zu Thick Shanks hinüber und zog den Metauhrwerksmotor auf, so weit es ging. Er bündelte das reflektierte Licht, justierte den Strahl, konnte sich nicht daran hindern, immer wieder über die Schulter zu blicken, des Angriffs gewärtig.
    Was wird es sein?, dachte er. Fulmen? Shudner? Undinen? Blitz- oder Stein- oder Süßwassergeister, aber natürlich standen noch andere zur Auswahl: Eisen, Sonne, Holz, Feuer. Vielleicht einer, dessen Status als Elementargeist unsicher war oder zweifelhaft: erdacht, gemacht, aus der Phantasie geboren und nun wirklich. Ein Betongeist, ein Glasgeist? Was würde es sein?
    Man sah bereits Staubschwaden, die sich gegen den Wind bewegten, wehende Gliedmaßen reckten. Ariels. Die Miliz rief ihre Verbündeten.
    Sonne? Dunkelheit?
    Sie warfen ihre Fackeln auf die Erde, und sie züngelten hoch auf, als wäre ein Scheiterhaufen entzündet, und aus der Lohe kamen mit einem unirdischen Freudengeheul Gestalten wie Hunde oder große Affen, eine Horde Yags, Feuergeister, die halb laufend, halb wie ein rasender Brand über die Ebene tosten. Cutter beobachtete, wie reiterlose Pferde zusammengetrieben wurden und man ein Ritual abhielt. Wie sie fürchterlich schrien und dann unter ersterbenden röchelnden, schmatzenden Lauten ihr Inneres sich nach außen kehrte: Ihren zuckenden Leibern entsprangen Kreaturen aus ihren Sehnen und Muskeln gebildet, ihren Organen, umgestaltet zu blutig-hautlosen Mordbestien: Proasmae, die

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