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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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zu nehmen«, sagte Cutter. »Aber sie hat sich losgerissen.« Es bereitete ihm Genugtuung.
    Sie folgten nicht länger dem Rhythmus von Tag und Nacht, dösten minutenlang am hellen Mittag, ebenso wie in der Abenddämmerung und während der Stunden der Dunkelheit. Falls der Wisperschmied schlief, tat er es im Sattel. Im Gebirge begegneten sie gefleckten Kieseltripplern, seltsamen Zwittern aus Giraffe und Gorilla, die sich beim Gehen auf die Fingerknöchel stützten und Blätter von Büschen und tief hängenden Zweigen ästen.
    »Schneller«, drängte der Wisperschmied. »Handlinger kommen.«
    Bei Mondschein folgten sie Drogon und der Meute zu einem lang gestreckten Tafelberg. In der Felswand sahen sie einen lotrechten Keil Schwärze, den Eingang zu einer Schlucht, einem Korridor durch den Felswall. Nach Cutters Schätzung konnten sie ihn bei Tagesanbruch erreicht haben, und er malte sich aus, welch eine Wohltat es sein würde: der hitzeflimmernde Himmel nur ein schmales Band hoch oben zwischen moosbewachsenen Felswänden und Lisenen.
    Elsie sagte: »Etwas kommt.« Sie sah blass aus. Sie sah aus, als hätte sie furchtbare Angst. »Von Süden. Etwas kommt.« Es gab eine Unruhe hinter vielen Erhebungen in der Landschaft, außer Sichtweite. Cutter wusste, Elsie besaß keine ausgeprägten Hexenkräfte, aber sie spürte ein nahendes Unheil.
    Im Osten färbte sich der Himmel zögernd heller, und im ersten Morgenlicht entdeckte Cutter die Staubfahne von Drogons Pferd am Fuß der Mesa. Der Wisperschmied befand sich dicht vor dem Eingang der Kluft.
    »Beeilt euch, durch die Schlucht zu kommen«, sagte Drogon zu Cutter. »Die Handlinger holen auf, aber ihr könnt es schaffen, wenn ihr euch sputet. Die Hunde heulen. Sie wittern unseren Mann, er ist nah, auf der anderen Seite. Wenn ihr bald kommt, können wir vielleicht – vielleicht können wir die Handlinger besiegen, sie in einen Hinterhalt locken.« Ein kümmerlicher Plan.
    Wahrscheinlich hatte Drogon jetzt sein Pferd gewendet und schickte sich an, hinter den kläffenden Hunden in die Schlucht einzureiten. Cutter dachte an die Überhänge zu beiden Seiten, und deutlich trat vor sein inneres Auge, was er im Zimmer seines Freundes gesehen hatte, der fortgegangen war und den er finden wollte. Cutter sah den Stolperdraht und die toten, zerquetschten Leiber unter vage menschenähnlichen Umrissen aus verschiedenen Gesteinstrümmern.
    »Gottsdammich! Umkehren! Kehr um!«
    Er brüllte aus Leibeskräften. Pomeroy und Elsie zuckten zusammen, sie hatten im Gehen geschlafen. Cutter legte die Hände zu einem Schalltrichter zusammen und wiederholte die Warnung.
    »Halt! Halt!« Er feuerte mit dem Revolver in die Luft.
    Drogon war in seinem Ohr. »Was fällt dir ein? Die Handlinger werden dich hören …« Aber Cutter hörte nicht auf zu rufen, während er seine müden Beine zwang, schneller zu laufen. »Halt halt halt! Nicht hineingehen. Nicht hineingehen! Es ist eine Falle!«
    Staub wogte heran, nahm Gestalt an wie von der erwachenden Hitze geformt und wurde zu einem Mann auf einem Pferd. Drogon kam zurückgeritten. Cutter rief es ihm entgegen:
    »Nicht in die Schlucht! Es ist eine Falle! Eine Golemfalle!«
     

     
    Drogon umkreiste sie wie ein Hirte seine Herde und trieb sie voran; wenn sie meuterten, sandte er ihnen ein Flüstern, und sie mussten gehorchen. »Lauft«, wisperte er, und sie konnten sich nicht dagegen wehren.
    Die Ausläufer des Tafelbergs erklommen sie auf rutschigen Schotterpfaden, hielten sich an Gestrüpp und Grasbüscheln fest. Die Hunde, am Schluchteingang festgebunden, gebärdeten sich wie toll, ein monströser Anblick mit ihren Schweinsäuglein und dem geifernden Rachen. Sie gierten danach, durch die Schlucht zu stürmen, zu erreichen, was sie am anderen Ende witterten.
    »Er weiß es«, krächzte Cutter. Er stemmte die Hände auf die Knie und hustete sich den Staub aus den Lungen. »Er weiß, dass man hinter ihm her ist.«
    »Handlinger«, sagte Drogon. Ein Punkt am Rande der Ebene. »Wir müssen weiter.«
    Cutter sagte: »Er weiß, dass man hinter ihm her ist, und er hat nicht versucht, seine Spur zu verwischen. Er weiß, es ist die Miliz, und er hat sie hierher gelockt. Es ist eine Falle. Wir dürfen nicht da reingehen. Wir müssen den Weg über das Plateau nehmen. Er ist auf der anderen Seite, garantiert, und wartet.«
    Das Wissen um die nahenden Handlinger verkürzte die Diskussion. Die Hunde bellten, und Drogon erschoss sie im Innern des Tunnels. Die anderen

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