Der Eiserne Rat
ich soll seinen Sinn prüfen. Und er hat gesagt: ›Ich will, was ihr wollt. Ich will den Rat finden.‹ Er sagt, er kommt aus der Stadt, aber ganz bestimmt steht er nicht in Diensten des Parlaments, und er gehört nicht zur Miliz. Er sagt, er ist ein Wanderhirte, ein Reiter. Führt seit zwanzig Jahren ein Nomadendasein.
Er sagt, es sind zu viele Geschichten im Umlauf, als dass der Rat nur ein Mythos sein könnte. Und für die Männer der Wildnis ist er etwas Besonderes. Der Eiserne Rat. So eine Art gelobtes Land. Als er dann erfahren hat, was los ist, als er hörte, wer ausgezogen ist, um den Rat vor Gefahr zu warnen, konnte er nicht anders: Er musste sich ebenfalls auf den Weg machen. Er ist uns gefolgt in der Hoffnung, dass wir ihn zu ihm führen könnten. Er hat sich Zeit gelassen. Bis er sicher war, dass er uns trauen kann.«
»Du bist keine Wahrsagerin«, schnappte Pomeroy. »Er kann dir alles Mögliche weismachen.«
»Bin ich nicht, aber ich habe doch gewisse Kräfte.« Elsie funkelte ihn an. »Ich kann fühlen. Ich habe seinen Sinn geprüft.«
Der Wisperschmied setzte seinen Hut wieder auf und widmete sich den Hunden, bis diese sich zwischen den Leichen ihrer früheren Herren um seine Zuneigung balgten.
»Ihre Sehergabe ist nicht stark genug, um sich darauf zu verlassen, Cutter«, sagte Pomeroy.
Weshalb zum Henker soll ich das entscheiden?, dachte Cutter.
Drogon hielt den Hunden die Kleidungsstücke vor die Nase, und die Tiere schnüffelten und zerrten an der Leine.
»Wir müssen aufbrechen.« Drogon sprach zu Cutter. »Wir werden immer noch verfolgt. Wir sind nah dran, wir sind ganz nah dran. «
Elsie wollte den Spätlingen für ihre Hilfe danken, konnte ihnen aber keine Reaktion entlocken. »Ihr dürft nicht hier bleiben«, rief sie ihnen zu. »Handlinger kommen.«
Die Ge’ain gaben durch nichts zu erkennen, dass sie sie gehört hatten. Sie standen auf dem Schauplatz ihrer vollendeten Rache und warteten auf gar nichts. Die Menschen konnten ihnen nur ihren Dank zurufen und die betäubten Giganten ihrem Schicksal überlassen. Cutter grüßte im Vorgehen Fejhs Grab.
Die Hunde fächerten aus, strebten vor Drogon her und nahmen eifrig Witterung auf. Manchmal ließ er sie an langer Leine durch das harte Gras stöbern, dabei pendelten ihre übergroßen Köpfe hin und her. Während Cutter und die anderen den Weg unter die Füße nahmen, ritt er voraus.
Er sandte sein Wispern über die Meilen hinweg zu den auf Schusters Rappen Reisenden zurück. Er ließ die Hunde los; wenn sie sich zu weit entfernten, flüsterte er Befehle, und sie kehrten zu ihm zurück.
»Immer weitergehen«, mahnte er Cutter. »Handlinger sind hinter euch.«
Handlinger. Die malefiziösen Hände aus dem Dunkel der Geschichte. Fünffingrige Parasiten, neuerdings aus der Obskurität ans Licht gekommen.
Durch einen Einschnitt in den Hügeln ging es bergan. Cutter dachte an Fejh, wie er langsam in seinem Grab in der Hitze buk. Er schaute zurück auf das Mal, das sie hinterlassen hatten, auf die Toten und die beinahe Toten, die beiden wie festgewurzelten Spätlinge, die Verwüstung des Scharmützels wie ein Brandfleck auf der Ebene.
Das Land vor ihnen war dichter bewaldet, die Hügel konnte man nun fast Berge nennen, Geröllzungen schoben sich zwischen die Wurzeln von Olivenbäumen. Der von Drogon aufgewirbelte Staub zerflatterte zu einer tief hängenden Wolke. Er war weit voraus, sein Pfad lief wie eine Naht über das Terrain. Der Boden ernährte Salbeisträucher und Heckenrosen. Jeder Schritt Cutters scheuchte Zikadenschwärme auf.
Nicht zum ersten und nicht zum einzigen Mal auf dieser Reise gerann die Zeit, und Cutter fühlte sich gefangen. Ein Tag war nur ein überlang gedehnter Augenblick. Bewegung – das Taumeln von Insekten, das Huschen eines kleinen Nagetiers – war eine endlose Wiederholung derselben Sequenz.
Das Blaffen und Jaulen der Bluthunde, Drogons Flüstern, das aus seinem weit entfernten Lager heranwehte, störten in dieser Nacht ihren Schlaf. Sie schleppten schwer an den Waffen, die sie den Soldaten abgenommen hatten; nicht lange, und Stiefelmesser und schwere Flinten blieben am Wegrand zurück.
Einmal sahen sie hoch über ihnen eine Garuda im Blau hängen, still, mit ausgebreiteten Armen, wie an den Himmel geheftet. Sahen sie ruckartig sinken, mit angelegten Schwingen herabstoßen, zu Drogon einschwenken, dann plötzlich abdrehen und wieder in die Höhe steigen.
»Er hat versucht, sie ans Gängelband
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