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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Entschuldigungen für die Kriegsgräuel, der Wiederaufbau. Harte, aber hoffnungsvolle Zeiten, hieß es. Die Rede ging von neuen Großprojekten, Expeditionen quer durch den Kontinent. Das Versprechen einer Erneuerung der Wirtschaft, von Expansion.
    Cutter war unermüdlich unterwegs. Creekside war ein Ruinenfeld. Die toten Khepri, die nach dem Spifed-Massaker in den Straßen gelegen hatten, waren fortgeschafft worden, doch an manchen Mauern sah man noch Flecken und Einschusslöcher. An den Häusern war stellenweise die opalisierende Verkleidung aus dem Seim der Mörtelkäferlarven verschmort und abgeplatzt und gab den Blick frei auf die darunter liegenden Ziegelmauern.
    Cutter durchwanderte die Stadt und verfolgte den Wiederaufbau. Überall im Zentrum von New Crobuzon sah man die von schwerem Kriegsgerät gerissenen Wunden, die Hügel aus Beton, Mörtel und Marmortrümmern; neue, mit Schutt gepflasterte Querverbindungen zwischen Hauptstraßen. In Barrackham war die Spitze des beschädigten Milizturms eingerüstet und mit Planen verhängt und sah aus wie gekrönt von einem Klecks Kuckucksspeichel. Die zerrissene, herabhängende Trosse war verschwunden. Eine neue würde gespannt werden, sobald die Ausbesserungsarbeiten abgeschlossen waren.
    In Mog Hill, nah genug am ehemaligen Gebiet des Kollektivs, aber außerhalb der militarisierten Zone und deshalb nicht dem Kriegsrecht unterworfen und nicht von einer Ausgangssperre reglementiert, fand Cutter eine Unterkunft. Er gab seinen neuen Namen an. Bezahlte mit dem Lohn für seine Aushilfsarbeiten in Gegenden der Stadt, wo er noch nie in seinem Leben gewesen war.
    New Crobuzon hatte schwere Zerstörungen davongetragen. Seine Standbilder waren zerschmettert, Bezirke von Feuersbrünsten verwüstet, ganze Straßenzüge bestanden nur mehr aus Fassaden, die Gebäude dahinter ausgeglüht. Häuser, Kirchen, Fabriken, Gießereien hohl und mürbe wie alte Totenschädel. In den Flüssen trieben Wracks.
    Cutter wusste, wie man wieder Zugang zu dem geheimen Nachrichtennetz fand, mochte es auch an vielen Stellen zerrissen sein. Selbst in Zeiten wie diesen, wo keiner einem anderen gegenüber sich offen zu äußern wagte, wo jeder sich auf der Straße bemühte, den Blicken Entgegenkommender auszuweichen, gab es Mittel und Wege. Selbst in Zeiten wie diesen, wo eine kurz geballte Faust schnell als Handargot interpretiert war und man nach der Miliz rief oder kurzerhand zur Lynchjustiz griff, um die Gegend vor einsickernden Insurgenten zu schützen und den Todesschwadronen, die sie nach sich zogen. Cutter war vorsichtig und geduldig. Zwei Wochen nach seiner Rückkehr hatte er Madeleina aufgespürt.
     

     
    »Mittlerweile ist es besser geworden«, sagte sie. »Aber in den ersten Wochen, Götter.
    Erschießungen auf offener Straße, einfach an die nächste Wand gestellt und Peng. Alle hatten ›Widerstand geleistet‹, sagten sie, während die Leichen weggetragen wurden. Widerstand geleistet, indem sie stolperten oder weil sie darum gebeten hatten, einen Moment ausruhen zu dürfen, oder sie hatten ausgespuckt, waren nicht schnell genug gekommen, wenn man sie rief.
    Oben bei den Arrowhead-Gruben, in den Vorbergen«, sagte sie, »Camp Sutory. Da halten sie die Kollektivisten gefangen. Tausende. Wie viele genau weiß keiner. Es gibt einen Anbau: Du gehst rein und kommst nicht wieder raus, sagt man. Wenn sie fertig sind mit Fragen stellen.
    Ein paar von uns sind entkommen.«
    Sie zählte diejenigen auf, die sie gekannt hatte, und wie es ihnen ergangen war. Mit einigen hatte auch Cutter zu tun gehabt. Er fragte sich, ob Madeleina ihm vertraute oder ob es ihr einfach egal war.
    »Wir müssen der Welt erzählen, was passiert ist«, sagte sie. »Das ist unsere Pflicht und unsere Aufgabe. Aber wenn wir die Wahrheit sagen, werden die, die nicht dabei waren, glauben, dass wir lügen. Übertreiben. Also – machen wir es weniger schlimm als es tatsächlich war, damit man uns glaubt? Ergibt das einen Sinn?« Sie war sehr müde. Er brachte sie dazu, ihm die ganze Geschichte zu erzählen, alles über den Untergang des Kollektivs.
    Als ihm klar wurde, wie lange es schon her war, hätte er sich einfach sagen können: Da war niemand mehr, um für den Eisernen Rat zu kämpfen. Aber er tat es nicht. Er tat es nicht, weil sie nicht wissen konnten, was geschehen wäre, weil es, ob gut oder schlecht, keine Gelegenheit gehabt hatte zu geschehen. Über die Auswirkungen von Judahs Tat konnte man nur noch sinnlose Theorien

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