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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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entwickeln.
    Zehntausend Gerüchte kursierten in New Crobuzon über den Eisernen Rat.
    Oft besuchte Cutter den Statarischen Skulpturengarten in Ludmead und saß allein unter den dem Kleinen Gott der Geduld geweihten Kunstwerken. Der Park war nicht vom Krieg verschont geblieben. Auf den ornamental angelegten Rasenflächen, in den Bosketten standen riesige einzelne Steinblöcke, jeder durchzogen von Schichten und Rissen, jeder sorgfältig bearbeitet: präzise angeordnete und ausgemessene Bohrlöcher, mit Säure gefüllt in genau berechneter Dosis, zum Zweck eines exakt geplanten und langsamst ablaufenden Auflösungsprozesses im Stein, an zuvor bestimmten Stellen, sodass im Lauf der Jahre unter dem Einfluss der Witterung kleine und größere Stücke abfielen, dünne Schichten vom Regen fortgewaschen wurden, bis sich ganz zuletzt die vor langer Zeit festgelegte Gestalt herausschälte. Statarische Bildhauer bewahrten absolutes Stillschweigen über das, was sie vorbereitet hatten, und erst lange nach ihrem Tod trat ihre Kunst zu Tage.
    Die Beschaulichkeit des Parks war Cutter früher zuwider gewesen, aber jetzt, verwüstet, empfand er ihn als Ort des Trostes. Kollektivisten oder ein paar halbstarke Sympathisanten waren ein paar Wochen vor dem Fall von Dog Fenn über die Mauer geklettert und hatten sich mit Hammer und Meißel an einigen der größeren Findlinge zu schaffen gemacht. Mit heiterer Respektlosigkeit gegenüber Sitte, Anstand und Goldenem Schnitt, hatten sie krude und spontane und vulgäre Figuren geschaffen, lebensprall und hässlich, und sie über und über mit Obszönitäten und revolutionären Parolen tätowiert. Sie hatten die minutiösen Bohrungen und den insidiösen Säurefraß der Künstler zunichte gemacht und die Erosionsskulpturen in pornografischer Veralberung vorweggenommen. Cutter saß an eine dieser neuen Figuren gelehnt, die einen übergroßen Penis streichelte, und vielleicht ursprünglich ein Schwan hätte werden sollen, ein Segelschiff, eine Blume oder sonst irgendetwas.
     

     
    Seine Erinnerung an die schlimme Zeit in den Bergen war verschwommen. Rahuls Arme, die ihn festhielten. Ihn festhielten, während – hatte er um sich geschlagen? Hatte er geweint? Ja, ihm war, als hätte er um sich geschlagen und geweint. Rahul hatte ihn festgehalten, bis die Erschöpfung ihn in die Knie zwang.
    Er erinnerte sich, dass Ann-Hari sich umgedreht hatte, weggegangen war, ohne ihm einen Blick zu schenken. Er erinnerte sich, dass sie auf Rahuls Rücken gestiegen war und ihm befohlen hatte, zu der Schlucht zurückzukehren. »Zurück«, hatte sie gesagt. »Der Eiserne Rat«, und er hatte nicht begriffen, was sie damit meinte. Hatte sie es nicht einmal sagen hören in dem Moment, erst später, als er wieder denken konnte.
    Streifte sie irgendwo dort draußen umher? Hatte sie den Tod gesucht und gefunden? Er hatte ihnen nachgeschaut, Ann-Hari und dem Remade Rahul, wie sie sich entfernten, in Richtung der Felsen, wo der Eiserne Rat wartete, kleiner wurden und verschwanden. Das war das letzte Mal, dass er sie gesehen hatte.
    Sobald er sich stark genug fühlte, hatte er sich bemüht, Judah von der Stelle zu bewegen. Er hatte ihn begraben wollen. Er hatte es vermieden, in Judahs zerstörtes Gesicht zu schauen. Unter Aufbietung aller Kräfte zog er ihn von dem Wildwechsel herunter. Ohne hinzusehen, vom Tastsinn geleitet, hatte er Judah die Augen zugedrückt. Er hatte Judahs erkaltende Hand gehalten und sich nicht überwinden können, obwohl er es so gern wollte, die ledrigen Lippen mit seinen eigenen zu berühren, hatte also stattdessen auf seine eigenen Finger einen Kuss gedrückt und sie lange auf Judahs nicht mehr atmenden Mund gelegt. Als ob, wenn er nur geduldig wartete, Judah wieder erwachen musste.
    Er hatte einen Steinhügel über ihm errichtet. Er konnte die Erinnerung nur in Augenblicke aufgeteilt ertragen.
    Der Eiserne Rat stand still. Cutter war noch nicht hingegangen, um ihn anzusehen, aber ja, eines Tages würde er es tun, und bis dahin brauchte er nur einen beliebigen Passanten zu fragen. Jeder in New Crobuzon konnte ihm über den Zustand des Eisernen Rats Auskunft geben. Judahs Tod hatte ihn nicht aus seinem synchronistischen Gefängnis befreit. Die Zeitungen überboten sich in exotischen Spekulationen über das, was ihm zugestoßen sein könnte. Torques-Residuum war die in Anbetracht seiner Fahrt durch den Malakornukopischen Fleck am häufigsten geäußerte Vermutung. Cutter war überzeugt, im

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