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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Rat.«
     

     
    Hiddentown war nichts weiter als Hütten auf einer Lichtung. Cutter hatte sich eine arboreale Metropole ausgemalt, mit Wipfelpfaden und Kindern, die an Lianen aus dem Blätterhimmel hinabturnten.
    Am Rand des Dorfes hatte man mehr schlecht als recht Palisaden errichtet. Dorfbewohner, in die Farben des Waldes gekleidet, staunten die Wanderer an. Die meisten Behausungen waren Zelte, geteert oder mit Guttapercha bestrichen. Dazwischen ein paar windschiefe Bretterbuden, qualmende Feuer, eine Abfallgrube. Menschen machten den Hauptanteil an der Bevölkerung aus, aber auch etliche der kindergroßen Koleopteren trippelten die morastigen Wege entlang.
    Diese Käfer errichteten eigene Behausungen in den Winkeln des Dorfs. Sie waren Chitingärtner. Sie hüteten Millionen Insekten, Arachniden, Arthropoden, pflegten und ernährten sie, bis ihnen schließlich nicht mehr zählbare Heerscharen von stecknadelkopfgroßen Ameisen, zentimeterlangen Tausendfüßlern und krabbelnden Wespen aller denkbaren Spezies zu Gebote standen. Mittels seltsamer Techniken verdichteten sie ihre Herden zu Mauern, drückten sie behutsam zusammen, formten und glätteten sie, kneteten die lebende, verbundene Masse zu einer Art Beton. Sie bauten Katen und Erdbehausungen aus ihrem lebendigen Mörtel, fütterten ihn sorgsam, sodass die winzigen Leben, aus denen er bestand, nicht erloschen, sondern wibbelnd, kribbelnd sich vermengten, verschmolzen zu Architektur, einem Ghetto lebender Häuser.
    Die Menschen von Hiddentown sprachen verschiedene Dialekte von Galaggi, und hier und dort Tesh, und man konnte merken, wie sich daraus eine eigene Mixtion bildete. Der Ortsvorsteher war ein aggressiver Mann, nervös, erkannte Cutter, weil er wusste, er war Mittelmaß, durch eine Laune der Geschichte zum Führer geworden.
    Cutter kam zu der Ansicht, dass alle Flüchtlinge, die für sich selbst einstehen konnten, prompt den Staub dieses Ortes von den Füßen schütteln würden. Hiddentown war eine Ansammlung der Hoffnungslosen. Kein Wunder, dass sie verzweifelt waren. Kein Wunder, dass sie leichte Beute waren für irgendeinen Magen mit Zähnen.
    Unter Geplapper und unablässigen mechanischen Verbeugungen geleitete man die Wanderer zu einem Langhaus mit einem Stabturm, ein primitives Minarett aus schmalen, senkrechten Holzplanken. Es war eine Kirche, bescheiden geschmückt mit geschnitzten und gemalten Symbolen. Drinnen standen Tische, darauf lagen Spiegelscherben, Papyri. Ein hemdähnliches Gewand aus feiner schwarzer Wolle. Der Ortsvorsteher ließ sie allein.
    Einige Atemzüge lang herrschte Schweigen. »Was zum Henker sollen wir hier?«, fragte Cutter endlich.
    Echos bewegten sich durch den Raum, Schatten, die nicht hätten sein dürfen. Cutter sah Elsie frösteln. Unwillkürlich bildeten sie einen Kreis, Rücken an Rücken.
    »Da ist etwas«, flüsterte Elsie. »Jemand ist hier …«
    »Ich bin hier.« Die Stimme war kehlig und schnarrend. Sie duckten sich mit der Flinkheit des stets Gefahren gewärtigen Waldläufers. Sie warteten.
    »Was bist du?«, fragte Judah.
    »Ich bin hier.« Akzentuiert, klebrig, als ob die Worte sich aus einem zähen Seim lösen müssten. Eine Bewegung, der sie nicht folgen konnten. »Sie haben euch hergebracht, damit ich euch segne. Glaube ich. Momentchen. Ja, ja, genauso ist es. Und damit ich euch rate. Sie brauchen euch, damit ihr sie von ihrer Plage befreit.«
    Drogon zeigte auf den Tisch. Das wollene Gewand war fort.
    »Du sprichst unsere Sprache«, bemerkte Cutter.
    »Ich bin ein kleiner Gott, aber immerhin ein Gott. Sie haben euch zu ihren Helden erkoren. Die man ins Lager der Bestie schickt. Das ist der Plan, müsst ihr wissen. Habt ihr euch je als Helden betrachtet?« Scheinbar drang die Stimme aus den Wänden, schlich aus mehreren Richtung gleichzeitig heran.
    »Das ist ihre Absicht, stimmt. Was ist schlimm daran?« Pomeroy unternahm einen langsamen Rundgang durch den Raum, ein kämpferisch gottloser Mann in Gegenwart eines Gottes. Drogon drehte den Kopf Zentimeter um Zentimeter, seine Lippen bewegten sich.
    »Nichts«, antwortete die Stimme. »Gar nichts. Nur – eine Vergeudung eurer Kräfte, ehrlich gesagt. Du, hmmm, du hast eine kleine Tochter, von einer Hure in einem Ort namens Tarmuth. Geht lieber eurer Wege. In diesem Kaff pickt der Totenwurm. Rettet ihr es heute vor dem Verderben, kommt morgen ein anderes Unheil und tilgt es aus.«
    Pomeroys Mund arbeitete. Elsie beobachtete ihn. Ihr eigenes Gesicht war

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