Der Eiserne Rat

und Muhmen tauchen die Speerhand in Gift, welches bei der geringsten Verletzung bereits tödlich wirkt. Im Lauf eines Tages und einer Nacht durchdringt es ihre Haut und tötet sie ebenfalls, weshalb sie keine andere Wahl haben, als sich mit selbstmörderischer Berserkerwut dem Feind, den anrückenden Fremden entgegenzuwerfen.
    Judah sieht die Leichen von Männern aus New Crobuzon, durchbohrt von Stiltspear-Händen, vom Gift aufgebläht, in grün überhangenen Totwassern dümpeln. Wenn man ihn in der Gesellschaft der Stiltspear findet, wird man ihn einen Verräter an der eigenen Rasse nennen, einen Verräter an seiner Stadt, und einem langsamen, nicht vom Gesetz sanktionierten, aber dem gesunden Volksempfinden entsprechenden Tod überantworten. Stiltspear-Krieger lauern den Männern der Eisenbahn aus dem Hinterhalt auf.
    Sie töten Menschen und einige Kaktusleute, zu dreien und vieren. Auf jedes Paar Stiltspear-Hände wird eine Belohnung ausgesetzt. Wenige Tage später sind Neuankömmlinge da, Blutgeldjäger, gekleidet in apokalyptische Lumpen zum Zeichen der Auflehnung gegen alle Gesellschaften, Renegaten von hundert Kulturen. Judah erspäht sie zwischen den Bäumen hindurch.
    Prämienjäger aus Cobsea und aus Kadoh und Kaktuspiraten aus Dreer Samher. Vodyanoi, Gesindel aus Garcheltist und New Crobuzon. Eine Frau, drei Meter groß, kämpft mit zwei Flegeln und schleppt viele tote Stiltspear fort. Gerüchte sprechen von einem Gessin in seiner Rüstung. Eine Hexe von der Lohwasser-Enge beschafft sich viele Händepaare, bündelt sie zu einem makabren Strauß und schläft einen Jagdschlaf, um Traumteufel heraufzubeschwören, die das Lager umschleichen.
    - Zieht euch zurück ins Innere, sagt Judah wieder, und die Überlebenden des Stammes hören ihm zu.
     

     
    Sie gehen nach Süden. Rotaugen erzählt Judah, dass sie bei dem neuen Bastardstamm aus Flüchtlingen sämtlicher Stiltspear-Nationen Zuflucht finden werden.
    - Ich werde euch bald verlassen, sagt Judah zu ihm. Rotaugen nickt, eine weitere erlernte Gebärde.
    Keine Kinder mehr im Dorf, die man zum Kräftemessen kleiner Golems herausfordern kann. Nur Erwachsene sind noch da, deren Anmut nun kriegerisch ist, die zählen, wie viele sie erschlagen haben, und Fallen stellen. Der Baulärm – Rumpeln, Kollern, kreischendes Metall, das Dröhnen von Maschinen – kennt keine Pause.
    Eines Morgens steht Judah auf und packt alles ein, was er besitzt – Aufzeichnungen, Heliotypien und Zeichnungen. Er verlässt das Dorf, nimmt auf verborgenen Pfaden durch das Labyrinth der Wasserarme den Weg zu dem neuen Außenposten der Zivilisation. Judah schwimmt wieder im Strom der Zeit. Der Augenblick hat ihn entlassen.
    Am Rand einer neu entstandenen Lichtung steht ein Vorarbeiter und brüllt seine Leute an. Judah staunt. Sie sind primitiv und klein und anmaßend, doch sie verändern das Angesicht der Landschaft.
    Der Vorarbeiter nickt Judah zu, der vorbeigeht, und erzählt ihm: – Das da ist kein verdammter See, dies üble Scheißloch ist ein Teufel.
    Er rotzt in das schwarze Wasser.
    - Schluckt und schluckt jede gottsverdammichte Tonne Schiet, die wir reinkippen. Es hat keinen Boden.
    Männer mit Äxten, Männer mit Signalflaggen, Landvermesser, Jäger, Pioniere, die Gräben ausheben, Kaktusleute, Vodyanoi, Menschen und Remade. Sie malochen mit Spaten und Säge, Spitzhacke, Schubkarren. Das Fenn wird weniger.
    In langer Reihe kommen sie, Mensch, Remade, Kaktus, schieben ihre Karre voll mit Gips und Stein-Erdegemisch und kippen den Inhalt vom neuen Pier. Ein Bagger entledigt sich spastisch ruckend seiner Ladung. Ballast wird geschluckt. Wasserpflanzen und das deckende Vlies aus Blättern und Staub sind fort, die Tarnung des Schwingrasens ist zerrissen, das Wasser entblößt in immer größerem Kreis. Eine Ladung nach der anderen wird mit kehligem Schmatzen hinabgesaugt.
    - Siehst du? Siehst du?, erregt sich der Vorarbeiter. – Dieser gottsverdammichte Pfuhl ist tiefer als die Fotze einer Hure.
    Dies war einmal ein Sumpf, wo der Morast den Unachtsamen festhielt und verschlang, mit der unwiderstehlichen Gewalt der Riesenschlangen. Von den Bergausläufern herbeigeschafftes Geröll stapelt sich in Blöcken, beleckt von dem trägen Wasser. Bollwerke halten Schotter und Erde fest. Trockenes Land wird geschaffen. Eine feste Straße hat man gerodet, herausgeschnitten aus Tamarisken, Mangroven, Seggen und den verwelkten Blüten gelber Teichrosen. Es ist ein Streifen flach gewalzter Erde, an