Der Eiserne Rat
Lichtung am Rand einer großen Moorwiese, eine sacht wogende Flüssigkeit, die mit einer Pflanzendecke trügerisch Festigkeit vortäuscht. Ein neuer Pfad führt zwischen tropfenden Bäumen hindurch zu einer Ansammlung von Zelten und Planwagen, Erdhütten mit Moosdach auf dem gezähmten Grund. Man hört Schüsse.
Judah hat ein Geschenk in seinem Ranzen und ein Sträußchen Sumpfblumen. Er sieht eine Gruppe Männer in dreckigen weißen Hemden und derben Hosen. Sie stecken über Plänen die Köpfe zusammen, konsultieren rätselhafte Instrumente. Sie kochen Essen in Kesseln über Feuern, die ölige Rauchballen ausatmen, schwarz wie Krakentinte. Sie nehmen Judah en passant zur Kenntnis. Er muss für sie aussehen, als wäre er einem Kolk entstiegen, ein Moorgeist. Die Remade-Packtiere treten unruhig hin und her bei seiner Annäherung.
Der Doyen steht auf. Ein Mann bei Jahren, immer noch hager und zäh wie ein Wolf. Judah schaut nur ihn an, folgt ihm in seine Unterkunft mit Wänden aus Segeltuch.
Licht quillt gedämpft durch die geteerte Plane, beleuchtet schmucklose Schwarzholzmöbel, ein Schränkchen, das zum Feldbett ausgeklappt werden kann.
Der alte Mann hält das zerdrückte Bouquet an die Nase. Judah zweifelt – er hat die Regeln zivilisierten Benehmens vergessen. Ist es korrekt, diesem älteren Mann Blumen zu bringen? Dieser aber dankt liebenswürdig, riecht an den immer noch schönen Blumen und stellt sie ins Wasser.
Er hält sich sehr aufrecht. Sein Haar ist schlohweiß, sehr genau nach hinten gekämmt und zu einem exakten Pferdeschwanz gebunden. Er hat wache, leuchtend blaue Augen. Judah kramt in seinem Ranzen (die Leibwächter versteifen sich, heben die Pistolen) und zieht eine kleine Statue heraus.
- Dies ist für dich, sagt er. – Von den Stiltspear.
Der Mann empfängt die Gabe mit – so scheint es – aufrichtiger Freude.
- Es ist ein Gott, erläutert Judah. – Sie fertigen nicht viel an Kunstwerken oder Schnitzereien. Nur kleine, einfache Dinge.
Es ist ein von Stricken umwobener Ahnengeist. Judah hat ihn eigenhändig geschaffen. Der Mann mustert das verhüllte Gesicht der Figur.
- Ich habe eine Frage, spricht Judah weiter. – Ich wusste nicht, dass du persönlich hier sein würdest.
- Immer, wenn wir einen neuen Abschnitt in Angriff nehmen. Dies ist ein heiliges Werk, Sohn.
Judah nickt, als hätte man ihm etwas Kostbares anvertraut.
- Im Bruch leben Leute, sagte er. – Ich denke, ich bin als ihr Fürsprecher hier.
- Glaubst du, das weiß ich nicht, Sohn? Dass ich nicht weiß, weshalb du zu mir kommst? Deshalb sage ich dir, es ist ein heiliges Werk, das wir vollbringen. Ich will dir Kummer ersparen.
- Sie sind nicht so, wie sie geschildert werden in Shacs Bestiarium …
- Sohn, ich respektiere sein PMVB mehr als die meisten, aber das brauchst du mir nicht zu sagen. Schon lange halte ich es nicht mehr für, nun ja, wissenschaftlich exakt. Das steht nicht zur Diskussion.
- Aber … Ich muss wissen … Was ich wissen muss, ist, wie – wo genau geplant ist, dass die Trasse verlaufen soll, weil – da sind diese Eingeborenen, diese Stiltspear. Sie … Ich weiß nicht, ob sie damit fertig werden können, die Veränderungen, was ihr mitbringt, was noch kommt …
- Ich will niemandem Böses, aber bei den Göttern und bei Jabber, ich werde nicht von meinem Pfad abweichen.
Er sagt es nicht hart, nicht drohend, aber der Eifer in seiner Stimme lässt Judah frösteln.
- Du musst begreifen, Sohn, worum es geht. Ich plane nicht die Vernichtung deiner Stiltspear, doch wenn sie mir im Weg stehen, ja, dann werde ich sie zermalmen.
-Weißt du, was du hier siehst?, fragt er. – Jeder Einzelne von uns hier und jeder, der noch kommt, der staubigste Streckenarbeiter, jeder Schreiber, jede Lagerhure, jeder Koch und Reiter und jeder Remade, jeder Einzelne von uns ist ein Missionar einer neuen Kirche, und nichts, gar nichts wird das heilige Werk aufhalten. Ich möchte nicht unfreundlich sein. Ist das alles, was du mir sagen wolltest?
Judah mustert ihn mit furchtbarer Traurigkeit. Er ringt nach Worten.
- Wie lange?, fragt er endlich. – Was sieht der Plan vor?
- Ich denke, du kennst den Plan, Sohn.
Der alte Mann ist ganz ruhig.
- Und wie lange? Frag die Berge und die Täler. Und dann frag die Götter und die Geister dieses Sumpflands, wie viel guten, sauberen Dreck sie schlucken können.
Er lächelt. Er berührt Judahs Knie.
- Und das ist wirklich alles, was du mit mir besprechen wolltest?
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