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Der eiserne Skorpion - Roman

Der eiserne Skorpion - Roman

Titel: Der eiserne Skorpion - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Monitoren verfolgen oder in den Verstärker herabladen. Das zentrale Ausstellungsstück war der erste Kampfpanzer der Geschichte, der in einem Krieg zum Einsatz gekommen war, ein behäbiges Eisenmonster, das die eigene Besatzung sehr leicht durch die Abgase des eigenen Triebwerks umbringen konnte. An einer Stelle, die erkennbar mit einem Lärmdämpfungsfeld abgeschirmt war, nutzten Besucher die Gelegenheit, Nachbauten der Waffen von damals abzufeuern – Enfield-Gewehre, schwere Revolver, Maxim-Maschinengewehre. Die verfügbaren Ziele reichten von unbeweglichen Pappkameraden bis zu beweglichen Männchen, die richtig bluteten und schrien. Zahlreiche VR-Kabinen boten ähnliche Erlebnisse und noch mehr an. Alles hing davon ab, wie viel der Besucher zu zahlen bereit war, denn die ganze Ausstellung lag in privater Hand. Wenn Cormac von hier aus weiterging, führte ihn dies zu den Kriegen, die historisch vor dem ersten mit einer Nummer lagen. Geradeaus erreichte er die Entwicklung des Kampfpanzers, aber nur von solchen mit Kettenantrieb; rechts ging es zum Propellerflugzeug und links zum Maschinengewehr, aber nur so weit diese Waffe noch massive Geschosse benutzte. Ob sich Carl Thrace für derlei interessierte? Sicherlich, aber nicht annähernd so stark wie das, was weiter oben wartete, ganz weit oben. Cormac machte sich auf den Weg zur nächsten Treppe.
     
    Als Cormac aus dem Gravofahrzeug stieg, erwartete er eine gewisse Enttäuschung dabei, diese Drohne erneut aus der Nähe zu sehen, oder genauer gesagt, sie aus der Nähe zu sehen, ohne am Rande des Todes zu stehen. Der Anblick der Drohne von fern weckte in ihm noch immer alle möglichen komplizierten Gefühle, zusammen mit der Aufgeregtheit, die er schon als Kind empfunden hatte. Amistad schien unverändert: nach wie vor ein großer Eisenskorpion mit Peridotaugen und Geschützluken unter dem Maul. Cormac hatte sich jedoch verändert, hatte eine Abfolge von Situationen und Gefühlen erlebt, war in jeder Hinsicht größer geworden, sodass die Drohne womöglich klein wirkte, nicht mehr ganz so substanziell, wie sie es in den Kindheitserinnerungen war.
    Als er sich der Stelle näherte, wo Amistad im Schatten von Vogols Stein hockte, bemerkte Cormac, dass, Kindheit hin oder her, editiert oder nicht, die Erinnerung nicht trog. Falls überhaupt etwas, so wirkte die Skorpiondrohne aus der Sicht des Erwachsenen noch Furcht erregender, denn inzwischen wusste Cormac, dass es viele Gründe gab, sie zu fürchten. Er wusste, dass ihre Panzerung aus robustem Keramal bestand und lediglich von einer Partikelkanone durchschlagen werden konnte, und dass sie ausreichend bestückt war, um eine Stadt zu zerlegen. Er wusste: Sollte irgendeine Person sie genug reizen, würde Amistad diese wahrscheinlich mit den Klauen langsam zerreißen, denn da diese Maschine ein Produkt der späten Kriegsjahre war, als man möglichst schnell möglichst viele Kämpfer produzieren wollte, war sie nicht unbedingt geistig stabil oder moralisch eingestellt worden. Die Waffen bezogen ihre Energie aus Laminarspeichern und einem Fusionsreaktor, die Amistad jederzeit beide sprengen konnte. Im Krieg hatten solche Drohnen das häufig getan, wenn sie mit der Explosion dem Feind schweren Schaden zufügen konnten oder wenn sie in Gefahr schwebten, gefangen genommen zu werden. Zu sagen, dass das Wesen vor Cormac gefährlich war, war untertrieben, denn Amistad war eine zweckorientierte Killermaschine, bei der »Mistkerl« einen wesentlichen Teil der Jobanforderungen verkörperte.
    Die Drohne erhob sich auf ihrer Vielzahl von Beinen. Der dicke hakenförmige Stachel drohte an seinem nach vorn geschwungenen Schwanz, und eine einzelne Geschützluke öffnete sich kurz. Amistad hob eine lange tödliche Klaue und deutete am Monolithen hinauf.
    »Er war ein Prador-Erstkind, weißt du.«
    Ein kalter Schauer lief Cormac über den Rücken, als er diese klangvolle Stimme hörte. Er starrte am Stein hinauf und überlegte, ob er Informationen darüber abrufen sollte, aber solch leicht verfügbare Kenntnisse waren Gesprächskiller. »Also, wie lautet die Geschichte dieses Vogol?«
    »Er war Kommandant eines Prador-Bataillons: fast eintausend Zweitkinder, Kriegsdrohnen, Panzer, transportable P-Kanonen. Wir haben sie zerschmettert, aber er und einige seiner Artgenossen überlebten und stiegen mit Hardfeldgeneratoren und zwei P-Kanonen auf den Stein. Er wehrte uns zwei Stunden lang ab. Er ist immer noch da oben.« Amistad deutete mit den

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