Der eiserne Thron
lagen ihm im Blut. Und in der Zwischenzeit … er
beschloß, sich auf den Hadenmann zu konzentrieren. Hatte er
– oder sein Volk – noch immer einen geheimen Plan? Würde
sich die Armee der aufgerüsteten Hadenmänner wirklich seiner Führung unterordnen, wenn er sie aufweckte? Oder würden sie sich insgeheim mit den abtrünnigen KIs von Shub verbünden, wie es die Imperatorin in der Vergangenheit immer behauptet hatte? Owen grinste böse. Er besaß keine Antworten, oder zumindest keine, denen er trauen konnte, also
würde er sich im Augenblick mit Mond einlassen. Und beim
Schlafen stets ein Auge offenhalten. Er beschleunigte seinen
Schritt, bis er sich mit Hazel auf gleicher Höhe befand. Sie
nickte ihm kurz zu.
»Ja, auch ich vertraue ihm nicht«, gestand sie leise. »Aber
mir ist lieber, er steht auf unserer Seite, als wenn wir auch ihn
noch als Gegner fürchten müssen. Wenigstens können wir ihn
auf diese Weise im Auge behalten.«
»Und was schlagt Ihr vor, was wir in der Zwischenzeit tun
sollen?« fragte Owen.
»Niemandem vertrauen«, erwiderte Hazel. »Meinst du, du
kannst dir das merken?«
»Ihr wart noch nie bei Hofe, oder?« fragte Owen. »Als Aristokrat begreift man schon als kleines Kind, niemandem zu
trauen. In den Familien lernt der Nachwuchs zusammen mit
dem Alphabet, wie man Ränke schmiedet. Ansonsten hat man
keine Chance, das Erwachsenenalter überhaupt zu erreichen.«
»Klingt in meinen Ohren wie Nebelwelt «, sagte Hazel
schnippisch, und beide mußten lachen. Der Hadenmann trottete schweigend hinter ihnen her und behielt seine Gedanken für
sich.
Der Olympus-Sportpalast lag nicht sonderlich weit entfernt,
eben durch das Händlerviertel hindurch, aber der Weg war
trotzdem noch immer weit genug, um Owen bis auf die Knochen durchfrieren zu lassen. Trotz seiner zuversichtlichen
Bemerkungen gegenüber Hazel hatten seine Wunden ihn weit
mehr geschwächt, als er sich selbst eingestehen wollte. Er
trottete durch die schlammige Straße und den dichter werdenden Nebel und brütete düster vor sich hin. Owen war nun
schon einen ganzen Tag auf dieser verdammten Welt und hatte noch keinen einzigen Sonnenstrahl gesehen. Als sie endlich
am Sportpalast angekommen waren, schien sich der weite
Weg nicht gelohnt zu haben. Das Bauwerk gab sich viel Mühe, um einen anspruchsvollen Eindruck zu erwecken, aber
irgendwie reichte die Mühe nicht ganz, weil sich anscheinend
die Nachbarschaft dagegen verschworen hatte. Der ›Palast‹
war zwar noch immer eine Verbesserung gegenüber den meisten Orten, zu denen Hazel Owen bisher geführt hatte, aber
Owen konnte trotzdem nicht von sich behaupten, irgendwie
beeindruckt zu sein. Das Gebäude aus Ziegel und Holz hatte
zweifellos schon bessere Tage gesehen. Das nackte Mauerwerk der umliegenden Häuser war fleckig vom Rauch einer
nahe gelegenen Fabrik, und nur die Front des Olympus’
leuchtete in hellen, frischen Farben. Der Name über der Tür
war in derart verschnörkelten Buchstaben geschrieben, daß es
beinahe unmöglich war, ihn zu entziffern. Es gab keine Fenster, aber große Plakate, auf denen all die Wunder beschrieben
wurden, die man im Innern finden konnte, beispielsweise mühelosen Muskelaufbau und Gewichtsverlust, der beinahe an
ein Wunder grenzte. Owen musterte den Platz lange und
ernst; trotzdem blieb er hartnäckig unbeeindruckt.
»Ich bin nicht sonderlich beeindruckt«, sagte Hazel.
»Gebt ihm eine Chance«, erwiderte Owen automatisch.
»Das sind alles nur Äußerlichkeiten. Hat Eure Mutter Euch
nicht beigebracht, daß man ein Haus nicht nach seinem Äußeren beurteilen soll?«
»Sie hat mir auch gesagt, ich soll mich nicht mit Gesetzlosen und Aristokraten einlassen und kein Haschisch rauchen.
Ich kann nicht behaupten, ein artiges Kind gewesen zu sein.
Meinst du wirklich, daß wir Jakob Ohnesorg in einem Müllhaufen wie diesem hier finden? Ich meine, ich habe zwar gehört, daß ihn sein Glück verlassen haben soll, aber kannst du
dir wirklich vorstellen, daß ein legendärer Rebell wie er einen
so billigen Neppladen wie den da betreibt?«
»Wahrscheinlich ist alles nur Tarnung«, vermutete Owen
starrköpfig. »Wer käme schon auf die Idee, hier nach ihm zu
suchen?«
»Da habt Ihr nicht ganz unrecht«, stimmte Tobias Mond
von hinten mit seiner rauhen Summstimme zu. Hazel und
Owen zuckten leicht zusammen. »Ich jedenfalls würde mich
nicht in so einem Laden verstecken.«
»Die Leute vom Abraxus haben gesagt, wir
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