Der eiserne Thron
nicht als verräterisches Schuldgefühl interpretierte.
Lord Gregor Shreck lächelte seine Tochter liebevoll an und
tätschelte ihr mit seiner pummeligen Hand den Arm. Der
Shreck war ein kleiner Fettklops von einem Mann, dessen
Augen tief in seinem rundlichen Gesicht lagen. Er zeigte ein
nie endendes, leicht nervtötendes Grinsen. Der Shreck liebte
gutes Essen und Trinken und scherte sich einen Dreck um die
herrschende Mode – welche sich im Gegenzug einen Dreck
um ihn scherte. Er war kein sehr geselliger Mensch, der
Shreck, und er hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, alle
Feierlichkeiten zu vermeiden, bei denen seine Anwesenheit
nicht aus zwingenden Gründen erforderlich war. Er war ungeachtet seines hohen Standes und seiner vorzüglichen Verbindungen nie besonders beliebt gewesen oder gar hofiert worden, aber auch darauf gab er einen Dreck, der Shreck. Er hatte
andere Sorgen. Privater Natur.
»Kann ich dir einen Drink anbieten, meine Liebe?« fragte er
seine Tochter freundlich. »Oder vielleicht eine Kleinigkeit zu
essen? Du weißt, daß ich mir Gedanken mache, wenn du nicht
vernünftig ißt.«
»Danke, lieber Vater. Aber ich mag nichts. Wirklich nicht.«
Der alte Shreck schüttelte unglücklich den Kopf. »Du mußt
darauf achten, daß du nicht vom Fleisch fällst, mein Kind. Du
möchtest doch hübsch aussehen für deinen Papa, oder nicht?«
Die Hand auf ihrem Arm schloß sich zu einer schmerzhaften Warnung. Evangeline nickte artig und lächelte verkrampft.
Es war nicht klug, Vater zu verärgern. Er wirkte nach außen
wie ein gutmütiger Mann, doch er besaß ein äußerst jähzorniges Temperament, und in ihm wohnte eine häßliche, erfinderische Bosheit. Also ließ Evangeline zu, daß ihr Vater sein
übliches Theater veranstaltete und versuchte ansonsten, sich
so weit wie nur möglich von ihm entfernt zu halten, ohne ihn
zu verärgern. Es war ein Drahtseilakt, den sie da vollführte,
und obwohl sie sich inzwischen daran gewöhnt hatte, wurde
es nie einfacher. Der alte Shreck ließ seine Augen über die
laut schnatternde Menge schweifen und zog eine verdrießliche
Miene.
»Sieh sie dir nur gut an: Leben einfach so in den Tag, und
kein Gramm Gehirn belastet ihre Köpfe. Sie stopfen sich mein
Essen in den Bauch und kippen meinen Wein hinter ihre Binden, und meine arme Nichte ist noch immer eine willenlose
Sklavin der Eisernen Hexe. Sie tun sich hier auf meine Kosten
gütlich, aber frag mal einen einzigen von ihnen, ob er mir
dabei hilft, meine arme Nichte zu befreien. Ich kann bitten
und betteln, aber nein. Keiner von ihnen weiß, wieviel sie mir
bedeutet hat. Genausoviel wie du, Evangeline. Aber ich werde
sie irgendwie befreien und zurückholen, eines Tages, und
dann werde ich mich an all jenen rächen, die mir ihre Hilfe
verweigert haben.«
Die dunklen Wolken verzogen sich ebenso rasch wieder aus
seinem pummeligen Gesicht, wie sie gekommen waren, und
der Shreck ließ endlich den Arm seiner Tochter los. Er pochte
dumpf und schmerzte von seinem eisernen Griff, aber Evangeline wagte nicht, die schmerzende Stelle zu reiben. Es war
nicht klug, ihren Vater abzulenken, wenn seine Stimmung
ausnahmsweise einmal nicht ganz so schlecht war.
»Reden wir von etwas Erfreulicherem«, sagte er mit einem
strahlenden Gesichtsausdruck. »Ich erwarte mir viel von dieser Hochzeit, mein Kind. Die liebe Letitia gibt eine hübsche
Braut ab, und Robert Feldglöck soll ein feiner, aufrechter junger Mann sein. Ich habe mir nie viel Zeit für die Feldglöcks
genommen, für keinen von ihnen, aber man muß ihnen zugestehen, daß sie eine Menge guter Verbindungen zu interessanten und wichtigen Leuten haben. Und diese Verbindungen
werden mir in den Schoß fallen, wenn unsere beiden Häuser
erst durch die Heirat miteinander verflochten sind. Als Gegenleistung müssen wir ihnen nur den Rücken freihalten und sie
vor Angriffen aus unerwarteten Richtungen schützen, während sie sich um die Kontrakte für die Massenproduktion des
neuen Hyperraumantriebs kümmern. Einige ihrer Einkünfte
aus diesem Geschäft werden in meine Richtung fließen. Die
Dinge entwickeln sich gut, mein Kind. Bald schon kann ich
dir all die phantastischen Dinge zu Füßen legen, die ich dir
schon immer schenken wollte. Du warst stets sehr geduldig
mit mir, hast dir all meine Versprechungen angehört und dich
nie beschwert, aber wenn wir erst zu Geld kommen, soll keiner deiner Wünsche mehr offenbleiben, meine Liebe …
Weitere Kostenlose Bücher