Der eiserne Thron
Aufzug
warten, während er sich mit seinen Leuten davon überzeugte,
daß die Etage sicher war. Dann erst eskortierte er Finlay zum
Versammlungsraum und postierte sich neben der breiten Tür,
als Finlay sie öffnete und eintrat. Braver Hund, dachte Finlay.
Zahlreiche Gesichter blickten ihm verärgert entgegen, als er
sich knapp vor den restlichen Familienmitgliedern verbeugte,
die rings um den jahrhundertealten Tisch Platz genommen
hatten. Der Tisch war ein großes, schweres Möbel aus Eisenholz, das angeblich älter war als der Clan selbst, und das besagte einiges. Die Feldglöcks waren schließlich einer der
Gründerclans des Imperiums gewesen. Nebenbei sorgten sie
fleißig dafür, daß niemand je diese Tatsache vergaß, auch
nicht für einen Augenblick. Der Versammlungsraum war eigentlich viel zu groß, und der altehrwürdige Tisch stand inmitten einer weiten, leeren Fläche.
Am Kopf hatte Crawford Feldglöck Platz genommen, klein,
stämmig und mächtig. Vorstand der Familie, durch Alter und
Persönlichkeit – und weil er alle getötet oder eingeschüchtert
hatte, die diesen Titel rechtmäßig mehr als er selbst beanspruchen durften. Natürlich sprach man nicht darüber. So liefen
die Dinge eben, jedenfalls in den meisten Familien. Zu seiner
Linken saß sein Sohn William, der Buchhalter. Er führte die
Geschäfte der Familie, wenn man das so nennen konnte. Zu
Crawfords Rechter saß Gerold, sein jüngster Sohn (der wandelnde Unglücksrabe …). Man sagte, daß es ein Dutzend
Möglichkeiten gab, innerhalb des Feldglöck-Clans seinen
Atem zu verschwenden, und mit Gerold zu sprechen waren
bereits sechs davon. Neben Gerold saß Finlays Frau, die gefürchtete Adrienne. Sie hatte genaugenommen nicht das
Recht, der Versammlung beizuwohnen, denn sie war nur
durch Heirat eine Feldglöck. Aber wie üblich hatte niemand
den Nerv, sie hinauszuwerfen. In Finlay keimte allmählich der
Verdacht, daß sogar Razor seine Schwierigkeiten damit gehabt hätte. Er nahm seiner Frau gegenüber Platz, so daß sie
sich einfacher anstarren konnten. Dann warf er einen Blick in
die Runde und bereute es beinahe sofort. Wenn man die
scharfen Sicherheitsmaßnahmen bedachte, die das Treffen
begleiteten, dann wirkte der weite leere Raum um den Tisch
herum ziemlich beunruhigend, ja sogar bedrohlich. Sie hätten
ihr Treffen genausogut in einem ihrer privaten Quartiere abhalten können, doch der Feldglöck hatte auf diesem Versammlungsort bestanden. Für Crawford waren eben Äußerlichkeiten von Bedeutung. Selbst dann, wenn niemand außer
Familienangehörigen sie zu Gesicht bekam.
»Ein neuer Anzug?« fragte Adrienne zuckersüß. »Ich könnte schwören, daß du mehr Kleidung besitzt als ich, mein Lieber.«
»Und schönere« entgegnete Finlay schnippisch. »Vielleicht
sollte ich dir den Namen meines Schneiders geben? Und auch
den meines Friseurs – du scheinst deinen ja wirklich ziemlich
verärgert zu haben, wenn man bedenkt, was er mit deinem
Haar angestellt hat.«
»Könntet ihr bitte ein einziges Mal eure ständigen Streitereien sein lassen und euch auf drängendere Angelegenheiten
konzentrieren?« sagte William schwer. »Es gibt wichtige
Dinge zu besprechen.«
»Das sagst du immer«, erwiderte Adrienne. »Und immer
stellt sich dann heraus, daß es irgendwas mit Steuern oder
Investitionen zu tun hat!«
»Richtig«, stimmte Gerold ihr zu. Wie immer hatte man ihn
von seinen Saufkumpanen wegzerren müssen, damit er an
diesem Treffen teilnahm, und wie immer schmollte er deswegen. »Du brauchst uns doch gar nicht hier. Du und Vater, ihr
beide trefft alle Entscheidungen, und der Rest von uns
schließt sich wie üblich eurer Meinung an, um des lieben
Friedens willen. Selbst wenn wir etwas einzuwenden haben,
ignoriert ihr uns doch völlig.«
»Halt die Klappe, Gerold«, unterbrach ihn der alte Feldglöck, und Gerold sank in seinem Stuhl zusammen. Seine
Lippen bebten wütend.
»Es ist wirklich nicht besonders kompliziert«, sagte William.
Finlay stöhnte laut. »Bitte, William! Versuch erst gar nicht,
es uns zu erklären. Ich ertrage es nicht, wenn du Dinge erklärst. Hinterher habe ich meistens den ganzen Tag Kopfweh.«
»Ach ja«, mischte sich Adrienne plötzlich ein. »Robert läßt
sich entschuldigen. Der arme Bengel fühlt sich noch nicht
wohl genug, um bereits wieder an einem Familientreffen teilzunehmen.«
»Kann ich gut verstehen«, sagte Finlay. »Aber früher oder
später wird er sich
Weitere Kostenlose Bücher