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Der eiserne Thron

Der eiserne Thron

Titel: Der eiserne Thron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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herein wie eine unwiderstehliche Flut aus blendendem Licht.
Er wurde in einem Ansturm von Emotionen und Bildern davongespült, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Finlay
konnte Evangelines Gegenwart trotz des wirbelnden Malstroms spüren, und das beruhigte ihn so weit, daß er seine
Gegenwehr aufgab und den Anführern erlaubte, ihn zu leiten.
Er lauschte in sich hinein, und nach einer Weile stiegen Gedanken in ihm auf, die nicht seine eigenen waren.
    Johana Wahn war nicht ihr wirklicher Name. Sie hatte ihren
wirklichen Namen aufgegeben, als sie sich zu diesem Auftrag
gemeldet hatte. Sie hatte noch eine Menge mehr verloren, als
die Eiserne Hexe sie in die Hölle des Wurmwächters hatte
werfen lassen, aber irgendwie klammerte sie sich an ihren
wirklichen Namen, das letzte Geheimnis, tief in ihr verborgen,
wo ihre Folterknechte es nicht finden konnten, nicht einmal
der Wurmwächter selbst. Für ihre Wärter war sie niemand
anderes als Johana Wahn, die gefangene Terroristin. Ganz
genau so, wie es die Anführer der Esper geplant hatten, obwohl sie davon nichts mehr wußte. Sie hatte eine Menge vergessen. Es war der einzige Weg zu überleben.
    Johana lag zusammengekrümmt auf dem Betonboden ihrer
Zelle, nackt und frierend. Die Zelle war leer, keine Möbel,
kein Bett, nicht die geringste Annehmlichkeit, nur vier kahle
Betonwände, die einen Raum von vielleicht der doppelten
Größe eines normalen Sarges umschlossen, mit einer Decke,
die so niedrig war, daß Johana nicht aufrecht stehen konnte,
ohne sich den Kopf zu stoßen. Sie hatten sie in diese Zelle
geworfen und das Licht ausgeschaltet, hatten laut gelacht und
waren dann gegangen. Johana war allein in der Dunkelheit
zurückgeblieben. Wasser und Brot war alles, was man ihr zu
essen gab; sie steckten es durch ein Loch in der Decke, aber
niemand sprach jemals auch nur ein Wort.

Mit Ausnahme des Wurmwächters.
Sie wußte, daß man sie nie wieder aus dieser Zelle lassen
würde, bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie sterben müßte, doch
sie hatte keine Ahnung, wann das war. So kam es, daß Johana
jedesmal zusammenzuckte, wenn sie die Wachen kommen
hörte. Sie hatte Angst, die Wärter würden wegen ihr kommen,
und sie kroch in eine Ecke ihrer Zelle und preßte sich ganz
dicht an die Wand, als könne sie sich dort vor ihren Schergen
verstecken. Aber sie gaben ihr immer nur Wasser und Brot
und gingen wieder. Manchmal war es in ihrer Zelle heiß,
manchmal kalt. Licht gab es nie. Sie hatte keine Ahnung, wie
sie inzwischen aussah, wahrscheinlich ziemlich schlecht. Johana hatte sich kein einziges Mal waschen können, seit man
sie hergebracht hatte, wie lange das auch immer hersein
mochte. Sie hatte versucht, ihre Mahlzeiten zu zählen, aber
schon bald den Faden verloren. Auf dem Boden in der Ecke
ihrer Zelle befand sich ein Metallrost, der ihr als Abtritt diente. Johana hatte jedesmal Angst, wenn sie den Rost benutzte.
Manchmal hörte sie Geräusche von unten. Bewegungen. Tiere, die von ihr lebten.
Wie der Wurmwächter.
Am Anfang hatte sie sich die Seele aus dem Hals geschrien,
doch das hatte nur dazu geführt, daß sie heiser wurde, und so
hatte sie wieder damit aufgehört. Dann hatte sie begonnen,
mit sich selbst zu reden, aber irgendwann war ihr der Gesprächsstoff ausgegangen, und sie hatte auch damit wieder
aufgehört. Gelegentlich sang sie noch, ein letztes kleines Zeichen von Aufsässigkeit, aber allmählich beunruhigte sie der
Klang ihrer eigenen Stimme. Sie stank. Der Gestank in ihrer
Zelle nahm zu und ab, gerade soviel, daß sie sich nicht an den
Geruch gewöhnen konnte. Johana hatte den Verdacht, daß ihr
Wächter es absichtlich so eingerichtet hatte. Es war genau die
Art von Spaß, die der Wurmwächter sich mit seinen Gefangenen leistete.
Sie hatten sie ganz leicht gefangennehmen können. Johana
glaubte, daß es einen bestimmten Grund dafür gegeben haben
mußte, obwohl sie nichts mehr davon wußte. Sie war ein
Esper, doch ihre Fähigkeiten waren nur schwach entwickelt,
und so hatte man ihr die Aufgabe angetragen, ungeborene
Kinder im Mutterleib zu überprüfen und zu testen, ob sich
ESP in ihnen entwickelte. Wenn die Antwort positiv ausfiel,
wurden die Kinder entweder vor der Geburt abgetrieben oder
nach der Geburt ihren Müttern weggenommen, um einem
Leben der Ausbildung und Konditionierung zugeführt zu
werden. Die Entscheidung war natürlich abhängig davon, ob
das entdeckte ESP nützlich schien oder nicht.

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