Der eiserne Thron
gewaltige Verstopfung herrschen.«
»Kanäle! Wovon redest du da?« fragte Hazel. »Zeig deine
Unwissenheit nicht so deutlich. Abwasserkanäle gelten hier
als Luxus, den sich keiner leisten kann. Sei froh, daß der
Nachtschmutz bereits eingesammelt worden ist. Das nächste
Lokal, zu dem wir gehen, wird dich wahrscheinlich ein wenig
aufmuntern. Der Schwarzdorn. Eine weitere alte Freundin von
mir ist die Besitzerin. Sie wird wissen, wo wir Ruby finden.
Cyder weiß alles. Los, laß uns gehen.«
Hazel marschierte los, gut gelaunt und voller Zuversicht.
Owen trottete wieder hinterher und fluchte lautlos. Er blieb
einen Augenblick stehen, um seinen Umhang zurechtzurükken, und ein Fremder drückte ihm eine Münze in die Hand.
Verblüfft starrte Owen auf das Geldstück, bis er mit einem
Mal erkannte, daß man ihn für einen Bettler gehalten hatte. Er
spürte das Bedürfnis, dem Spender die Münze hinterherzuwerfen, aber er tat es nicht. Geld war schließlich Geld.
Also steckte er die Münze in die Tasche und eilte Hazel hinterher. Owen schäumte vor Wut. Irgendwann würde irgendwer für all das hier bezahlen. Er lenkte seinen finsteren Blick
auf Hazels stummen Rücken. Die Kälte schien ihr überhaupt
nichts auszumachen. Owen überlegte nicht zum ersten Mal,
daß er vielleicht besser dran gewesen wäre, wenn er daheim
auf Virimonde um sein Leben gekämpft hätte. Zumindest hatte er sich dort ausgekannt. Und das Klima war besser. Owen
verstand nicht viel von Nebelwelt , und das wenige, was er in
Erfahrung gebracht hatte, stieß ihn ab. Kein Recht, kein Gesetz, keine Tradition oder Ehre, keine sozialen Strukturen.
Jeder war nur sich selbst der Nächste, und zur Hölle mit allen
anderen. Eine ganze Welt voller Krimineller und sozialer Außenseiter, die in einem solchen Elend lebten, wie es im restlichen Imperium unvorstellbar schien. Aber sie waren frei, und
die Freiheit hatte ihnen mehr bedeutet. Owen spürte einen
plötzlichen Anfall von Müdigkeit, und einen Augenblick lang
drohte die Sinnlosigkeit von allem ihn zu überwältigen. Er
konnte hier nicht leben. Nicht so. Ohne die Zivilisation und
die Bequemlichkeiten seiner gehobenen Stellung hatte sein
Leben keinen Sinn mehr. Er wollte einfach welken und sterben. Wie eine Blume, die man aus ihrem Beet gerissen hatte.
Der Gedanke ließ ihn aus der Lethargie aufschrecken, die
sich seiner bemächtigt hatte. Er konnte nicht sterben. Nicht,
solange seine Feinde noch lebten. Sie hatten sein Leben zerstört, ihm alles weggenommen, an das er geglaubt hatte, und
auf seinen Namen gespuckt. Er mußte überleben, wenn er
eines Tages an der Eisernen Hexe und allen, die ihr bei seinem Sturz geholfen hatten, Rache nehmen wollte. Owen grinste verbissen. Rache war das einzige, was ihm blieb. Er würde
nicht hier auf diesem verdammten Planeten versauern. Irgendwie würde er einen Weg finden, von hier zu verschwinden. Und dann … er würde sich schon etwas ausdenken. Er mußte sich etwas ausdenken. Und in der Zwischenzeit hatte er
gefälligst zu überleben. Er würde alles ertragen, was dieser
verdammte Planet ihm schickte. Und alles tun, um genügend
Geld zusammenzubringen, damit er sich eine verdammte Armee kaufen konnte … und einen Weg, um diesen elenden
Planeten wieder zu verlassen. Wenn er sich jetzt einfach hinlegen und sterben würde, hätte die Eiserne Hexe am Ende
doch noch gewonnen. Und das durfte er nicht geschehen lassen.
Owen torkelte weiter durch tiefer werdenden Dreck und
Matsch und starrte mit neu erwachtem Ekel finster auf alles
und jeden um sich herum. Sicher war es nicht überall so wie
hier. Es mußte einfach ein paar helle Flecken in dieser Finsternis geben. Über ihm wurde ein Fenster aufgerissen, und
die Leute wichen zur Seite. Jemand rief eine kurze Warnung,
und Owen sprang eben noch rechtzeitig zurück, um dem herabfallenden Inhalt eines Nachttopfes auszuweichen. Das Fenster wurde scheppernd wieder geschlossen, und die Menschen
auf der Straße gingen ungerührt weiter, als wäre die Angelegenheit ganz alltäglich. Owen rümpfte die Nase. Wahrscheinlich war sie alltäglich. Keine Abwasserkanäle. Richtig.
Wie konnten Menschen nur so leben? Hatten sie keine Ahnung, was auf sie zukam, wenn sie vor dem Imperium hierher
flohen? Langsam kam ihm der Gedanke, daß sie sehr wohl
wissen mußten, was sie hier erwartete. Und sie kamen trotzdem. Weil das Leben im Imperium für sie noch schlimmer
war. Der Gedanke nagte an ihm und wollte
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