Der eiserne Tiger
Schlamm ergossen sich über sie, als eine Kugel dicht hinter ihnen einschlug. Drummond drehte sich um und erblickte oben an der Böschung vier bewaffnete Chinesen. Da zog Hamid schon einen großen Bogen mit der Maschinenpistole und schoß aus der Hüfte. Sofort sanken zwei der Chinesen in sich zusammen.
Ihre beiden Kameraden gingen rasch hinter einem Felsbrocken in Deckung. Da erschienen noch mehr Chinesen oben an der Böschung. Hamid vertrieb sie mit einer Salve, bis er all sein Pulver verschossen hatte und die Waffe nutzlos geworden war.
Als einer der Truppentransporter in Sicht kam, warf Hamid die nun wertlose Waffe fort. Sie stürzten sich in den Fluß. Das am Ufer noch seichte Wasser spritzte hoch auf, als sie auf ein Dornengebüsch zuhielten, das im Wasser wuchs. Geschosse schlugen rings um sie ein. Schließlich waren sie bis an der Taille im Wasser und im dicht fallenden Regen nicht mehr auszumachen.
Das Wasser war eiskalt. Drummond fühlte, wie es seine Kleidung durchdrang, sein Fleisch empfindungslos machte und selbst die Knochen nicht verschonte. Sie hörten die Schreie der Soldaten, die immer näher kamen, und bewegten sich weiter flußabwärts, wobei ihnen die Strömung zu Hilfe kam.
Das Ufer bildete eine etwa fünfzig Meter breite Landzunge, die als natürlicher Wellenbrecher wirkte. Entwurzelte Bäume und schwere Äste waren hier angetrieben worden. Sie hielten darauf zu. Die Strömung hatte ein Einsehen und trieb sie auf diesen
schwimmenden Urwald zu.
Seite an Seite ruhten sie sich aus, schnappten nach Luft und hielten sich an den Zweigen eines Baumes fest. Sie hörten Stimmen vom Ufer. Etwa ein halbes Dutzend Soldaten erschien. Sie arbeiteten sich durch das Ufergebüsch vor.
Als sie kaum mehr als zehn Meter vom Ufer entfernt waren, konnte Drummond die Chinesen durch die Zweige deutlich erkennen. Sie hatten sich die Schirmmützen tief in die Stirn gezogen. Der rote Stern war nicht zu übersehen, ebensowenig die glänzenden Maschinengewehre und hohen Gummistiefel.
Die Zeit verstrich unendlich langsam. Sie wagten kaum zu atmen. Die Kälte machte ihre Glieder völlig gefühllos. Die Soldaten schienen zu beratschlagen. Dann bildeten sie Zweiergruppen und verschwanden im prasselnden Regen.
»Und was jetzt?« meinte Drummond mit klappernden Zähnen.
»Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte Hamid. Er hatte ganz blaue Lippen. »Wir müssen versuchen, auf einem dieser Baumstämme ans andere Ufer zu gelangen. Über dieses Flußufer werden sie wie die Heuschreckenschwärme herfallen. Keine fünf Minuten, und sie hätten uns niedergemäht.«
Er ließ den Baum los und hangelte sich zum nächsten. Langsam kämpfte er sich durch den treibenden Dschungel, dieses Gewirr von Baumstämmen, Ästen und Zweigen. Drummond folgte seinem Beispiel. Als sie am Rande der Bucht angelangt waren, klammerten sie sich an einem mächtigen Baum fest, der schon von der Strömung mitgerissen wurde.
Hamid zog sich ins Laubwerk hinauf, und Drummond sagte: »Ich werde versuchen, ihn vom anderen Ende aus irgendwie zu dirigieren.«
Er zog einen Fuß aus dem Wasser und stieß sich vom nächsten Baum ab. Zweige schnappten zurück, dann hatte sich der Baum endgültig aus dem Gewirr befreit und trieb in die Strömung. Sie wurden rasch abgetrieben. Das schwimmende Gewirr von Ästen und Zweigen sowie die Uferböschung versanken im Dunst.
Drummond mußte bald einsehen, daß es unmöglich war, den Baum in eine bestimmte Richtung zu dirigieren. Er wurde einfach von der Strömung mitgerissen. Sein schwaches Rudern hatte nicht die geringste Wirkung. Er gab den Kampf bald auf und versuchte sich ebenfalls hinaufzuhieven. Doch seine steifgefrorenen Glieder versagten ihm den Dienst. Hilflos hing er im Wasser und wurde mitgezogen. Mit einem Arm klammerte er sich an einem der herausragenden Zweige fest. Doch er spürte diesen Arm schon lange nicht mehr. Bald empfand er keine Schmerzen mehr. Ihm war alles gleichgültig geworden.
Als Cheung die steile Uferböschung wieder hinaufgekrabbelt war, saß General Ho Tsen immer noch unbeweglich im Jeep und hatte eine Zigarette in einem langen Zigarettenhalter aus Jade in der Hand.
»Nun?« fragte der General.
Cheung war erschöpft. »Immer noch keine Spur von ihnen, Herr
General.«
»Ein kleiner Trick, mit dessen Hilfe man oft bemerkenswerte Ergebnisse erzielt«, sagte Ho Tsen hämisch. »Davon war doch die Rede, nicht
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