Der eiserne Tiger
hervor. Die matschigen, ausgefahrenen Rillen und Furchen waren vereist, steinhart gefroren und mit Schnee bedeckt. Daher war das Gehen nicht allzu beschwerlich. Sie kamen rasch voran. Drummond ging ein ganzes Stück hinter Hamid und hielt sich auf der anderen Straßenseite.
Es schneite inzwischen ziemlich stark, die Sicht war denkbar schlecht. Die unheimliche, eisige Stille, die der Flockenfall mit sich bringt, lastete auf ihnen. Auf Drummond hatte sie eine so starke Wirkung, daß er eine ganze Weile mit gesenktem Kopf vor sich hintrottete, keineswegs auf der Hut war, sondern einfach seinen Gedanken nachhing.
Als sie jedoch kaum eine halbe Meile gegangen waren, wurde er durch den leisen, dringlichen Zuruf Hamids jäh aus seinen Träumen gerissen. Hamid war am Straßenrand stehengeblieben. Drummond eilte zu ihm.
Das hintere Ende eines Lastwagens ragte etwa fünfundzwanzig Meter entfernt in einem ganz merkwürdigen Winkel aus dem Wald. Wortlos standen sie einen Augenblick da und dachten beide dasselbe, dann ging Hamid los und folgte der verschneiten Spur, die der Lastwagen hinterlassen hatte.
Es war der Versorgungslaster. Drummond fegte den Schnee von der Seite des Lasters und blieb mit dem Handschuh immer wieder hängen. Ganz ohne Erregung betrachtete er die Einschußstellen.
»Der Laster ist ja durchlöchert wie ein Sieb. Da haben sie wirklich gründliche Arbeit geleistet.«
Mit einem Ruck riß er die Tür auf, doch die Fahrerkabine war leer. Da rief ihn Hamid auf die andere Seite. Brackenhurst lag zusammengekrümmt unter einem Baum, mit merkwürdig verdrehtem Kopf und starr verkrampften Fingern. Er hatte drei tiefe Löcher in der Brust.
Als sie so dastanden und schweigend auf ihn hinuntersahen, hörten sie irgendwo ein Pferd leise schnauben. Pferdegeschirr rasselte, jemand sprach. Gelächter erklang. Hamid und Drummond
suchten sofort Schutz unter den Bäumen.
Am Ende der Zickzackspur, mit der der Lastwagen von der Straße abgekommen war, erschienen jetzt zwei Reiter, Chinesen in schweren Schaffellmänteln und Schirmmützen, mit geschultertem Gewehr. Sie brachten ihre Pferde zum Stehen, sahen sich den Lastwagen an und lachten wieder.
Hamid übergab Drummond seine Maschinenpistole und sagte leise: »Gib mir dein Gewehr. Wir müssen sie erschießen, sonst finden sie auch noch den anderen Lastwagen.«
Drummond überließ ihm sein Gewehr. Hamid stützte den Lauf auf einen Baumstumpf und legte an. Als sich die Reiter gerade wieder aufmachen wollten, krachte der erste Schuß. Der vordere Reiter fiel aus dem Sattel und stürzte kopfüber in den Schnee. Im Sturz schrie er noch, doch gleich darauf rührte er sich schon nicht mehr. Beide Pferde gerieten in Panik und bäumten sich auf. Der zweite Reiter versuchte zu wenden. Zwei Kugeln trafen ihn in den Rücken. Er wurde förmlich aus dem Sattel katapultiert.
Drummond und Hamid stürzten los. Eins der Pferde galoppierte auf das Dorf zu. Das andere blieb geduldig neben der Leiche seines Reiters stehen. Hamid schulterte rasch sein Gewehr, ergriff die Zügel und schwang sich in den primitiven Sattel aus Schafsleder.
»Jack, ich fange das andere Pferd wieder ein.«
Er gab seinem Pferd die Sporen, trieb es zu größter Eile an und war in dem dichten Flockentreiben schon bald nicht mehr zu sehen. Drummond prüfte die Maschinenpistole und wartete voller Ungeduld. Er glaubte in der Ferne einen schwachen Schrei zu hören. Gleich darauf kam Hamid auf der Straße angaloppiert, die Zügel des zweiten Pferdes um die rechte Hand geschlungen. »Schnell, schnell, wir dürfen keine Zeit verlieren«, rief er Drummond zu. »Da hinten auf der Straße sind noch mehr Reiter. Die verdammten Kerle sind aber heute schon früh unterwegs.«
Drummond schulterte die Maschinenpistole und ergriff die Zügel des zweiten Pferdes. Das Tier fuhr zurück, rollte wild mit den Augen, und er mußte es mit aller Kraft zurückziehen, um in
den Sattel hinaufzukommen.
Hamid ritt im Galopp dahin, und Drummond bemühte sich, mit ihm Schritt zu halten. Irgendwo hinter sich hörten sie aufgeregte Rufe, aber keine Schüsse -und dann tauchte durch den dichten Schneefall der spitze, dunkle Felsen zu ihrer Linken auf. Hamid verschwand zwischen den Bäumen.
Father Kerrigan stand besorgt und zutiefst beunruhigt neben dem Lastwagen. Als sie aus dem Sattel sprangen, beugte sich Janet über die Ladeklappe. »Was ist denn geschehen?« erkundigte sich
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