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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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das rohe Fleisch nur zu den Mahlzeiten auszugeben oder wenn der Durst einen Mann um den Verstand zu bringen droht. McCarthy und McLeod erhalten jeder ein Stück, und während sich ihr Mund und ihre Finger rot färben vom Blut und sie mit entgeistertem, wohl über sich selbst entsetztem Blick in die See starren, wird der übrige Proviant in das Dingi umgeladen und unser nunmehr zu schwer gewordenes Boot von der CAIRD ins Schlepptau genommen.
    Am frühen Abend reißt steifer Wind den Himmel auf. Zwischen den Schneegewölken erscheinen vor dem rosigen Firmament sieben weiche, ganz von Eis und Schnee bedeckte Gipfel. Sie lassen keine Zweifel zu. Vor uns liegt die Elefanten-Insel. Ein Schwarm Sturmmöwen kommt uns begutachten. Die prächtigen Vögel schießen herab, fliegen kurz auf Augenhöhe neben den Booten und kippen dann unvermittelt in eine Bö, deren Wind sie ins Dunkel mitnimmt und davonträgt. Unseren Booten macht der ablandige Luftstrom, den die Möwen so behände zu nutzen verstehen, schwer zu schaffen. Denn so gut es tut, die tiefschwarzen Umrisse der Insel wachsen und wachsen zu sehen, so hilflos sind die Boote der Gezeitenkabbelung ausgesetzt, die mit umso schwereren Sturzseen kreuz und quer um die Riffe tost, je näher wir der Insel kommen.
    Mit Einbrechen der Dunkelheit gehen neue dichte Schneeschauer nieder. Worsley und Shackleton stimmen sich von Boot zu Boot brüllend ab, und schließlich erhält der Skipper die Erlaubnis, mit der DUDLEY DOCKER vorauszufahren und einen Landeplatz zu suchen. Im Bug der CAIRD richtet Shackleton den Lichtschein der Kompasslampe auf das Segel, um Worsleys Boot einen Orientierungspunkt zu geben. Eine Weile flackert von der DOCKER ein Licht zurück, und durch das Flockengestöber über den Wellenkämmen sehe ich das angestrahlte Segel, das die Klippen und Hänge der Insel schon zigfach überragen. Dann aber bleibt das Lichtsignal aus. Noch lange steht Shackleton am Mast und starrt durch den Schnee. Das Licht kommt nicht mehr zurück. Doch Shackleton wendet sich erst ab und steigt zum Bootsheck hindurch, als Greenstreet brüllt, Wild sei am Ruder ohnmächtig geworden.
    Die CAIRD holt das Segel ein. Damit wird der Kontakt zu Worsleys Boot verloren gegeben. Nur bei ruhigerem Boot können die Männer in der CAIRD den steifgefrorenen Wild von der Ruderpinne lösen und in die Bootsmitte hieven. Auf tauben Beinen stehen Bakewell und ich am Mast und spähen nach vorn zum Hauptboot. Mehrere Mann massieren Wild vom Brustkorb abwärts warm, ehe sie Körper und Glieder auseinander biegen können.
    Er kommt zu sich. Neben ihm, halb aufgerichtet und mit großen Augen ins Dunkel starrend, liegt Holness. Als Wild stöhnt, stöhnt Holie mit und fängt an zu weinen.
    Â»Zwölf Stunden sitzt der Mann so am Steuer«, sagt Tom Crean zu uns und scheint vergessen zu haben, dass dasselbe für ihn gilt.
    Â»Mister Bakewell!«, ruft er. »Lösen Sie das Schlepptau. Wir gehen längsseits.«
    Â»Längsseits, aye.«
    Wild liegt ausgestreckt im Boot und blinzelt aus der Kapuze. Sein Burberry-Anzug ist ein Geglitzer aus Schneekristallen. Er wendet den Kopf und sieht herüber zu uns fünfen in der STANCOMB WILLS . Als Wild Crean erkennt, will er aufstehen.
    Shackleton hält ihn zurück. »Du bleibst verdammtnochmal so lange liegen, bis ich dir aufzustehen erlaube!«
    Â»Schluss mit dem Quatsch!«, sagt Wild erbost und setzt sich auf. »Es geht mir gut. Wir müssen weiter.« Seine Stimme ist heiser, und die geschwollene Zunge erlaubt ihm nur langsam zu sprechen.
    Shackleton ist nicht minder erbost: »Zeig mir deine Hände!«
    Wild will nicht; stattdessen sieht er wieder zu Crean her, ganz so, als würde er nicht begreifen, wie Crean es fertig bringt, jenseits des Bootes zu sitzen.
    Â»Deine Hände. Zeig sie her, du sturer Bock!«
    Crean nickt. »Zeigen Sie sie ihm, Mister Wild«, sagt er ruhig.
    Eine Sturzsee rennt über die Boote und durchnässt uns zum zigsten Mal. Als sich die Gischt verlaufen hat, richtet Shackleton die Lampe auf die Hände, die Wild in die Höhe reckt. Nur eine steckt im Handschuh. Die andere ist nackt. Sie ist rot und blau angelaufen, und von Höckern und Beulen aufgedunsen, erinnert sie mehr an einen Stumpf als an eine Hand.
    Shackleton zieht einen Handschuh aus und hält ihn wortlos Wild so hin, dass er die Hand hineinstecken

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