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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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herumlungern und das Gefühl genießen, festen Boden unter den Füßen zu haben, rührt sich auf der Insel nicht das Geringste. Die Wolkenschatten laufen über leere Klippen und durch leere Schluchten. Nichts als Stein. Darüber ein Dutzende von Metern dicker Panzer aus Schnee und Eis. Die Elefanten-Insel. Heißt sie nicht deshalb so?
    Im Westen der Sonnenuntergang, und vor dem Himmelsdunkel in goldenem Halbkreis auf der See die ausgezackte Feuerscheibe bald breiter als die ganze Insel. Gäbe es Holz, wir könnten auf unserem Strand um ein Lagerfeuer sitzen. Doch das einzige Stück Holz auf der Insel, das nicht zu den Booten gehört, zumindest nicht zu unseren, ist eine Planke, die durch das Riff in die Bucht gespült wird und die Frank Wild aus dem Wasser fischt. Das Brett ist so leicht, dass Wilds gesunde, vom Handschuh befreite Hand ausreicht, um es heraufzutragen und vor die Zelte zu legen. Die Planke ist grün, sie muss monatelang in der See getrieben sein, und doch ist ihr Holz unverwechselbar. Das Brett war einmal ein Stück eines Kirschbaums.
    Wild stapft zurück zum Wasser hinunter.
    Â»Frank, bleib in Lagernähe!«, ruft ihm Cheetham nach und sagt dann leiser in die Runde, was wir alle wissen, dass nämlich ein Sturm, wenn nicht gar ein Orkan in der Luft liegt.
    Â»Er wird nicht fertig damit«, meint Orde-Lees, nicht ohne um sich zu blicken, ob Shackleton in der Nähe ist und ihn hören kann.
    Shackleton ist mit Chippy McNeish bei den Booten und bespricht dort angeblich die nötigen Maßnahmen zur Schadensbehebung.
    So wie Frank Wild wieder unten am Wasser steht, erinnert er mich plötzlich an etwas Vertrautes und Liebes. Die Hand in Shackletons schwarzem Fellhandschuh auf den Rücken gelegt, sieht er aus wie der Napoleon auf dem Bild im Kontor meines Vaters.
    Â»Womit, meinst du, wird er nicht fertig?«, will Hurley wissen. Er lässt dabei die Augen nicht von dem Sonnenuntergang; schussbereit hat er die Kamera in Händen.
    Â»Was weiß ich.« Orde-Lees ist wie üblich auf der Stelle beleidigt. Er nimmt einen Stein und schließt die Faust darum.
    Hurley schießt das Bild nicht. Nach den Fotos von der Landung bleibt ihm Material für nicht einmal ein Dutzend Bilder. Er sagt zu Orde-Lees: »Frank weiß genau, was auf ihn zukommt. Oder hat er zu dir etwas anderes gesagt?«
    Orde-Lees schickt Hurley einen finsteren Blick. Aber er widerspricht nicht.
    Hurley legt die Kamera beiseite. »Also hör auf, das Orakel zu spielen.«
    Shackleton und der Zimmermann kommen im Halbdunkel von den Booten herüber. Auf halbem Weg trennen sie sich, und Shackleton geht zu Wild ans Wasser hinunter.
    Â»Chippy, setz dich zu uns«, grölt Vincent McNeish zu, ohne die Zigarette aus dem Mundwinkel zu nehmen. »Hier ist es grad sehr lustig!«
    Aber McNeish bleibt nur stehen, winkt einmal und taucht dann in sein Zelt. Zu gern wäre ich bei seiner Unterredung mit Sir Ernest dabei gewesen. Ich bin mir sicher, in Wahrheit drehte sich ihr Gespräch nur um eines, die Katze. Doch jeder, den es in die Nähe der Boote trieb, wurde von Greenstreet oder Shackleton davongejagt.
    Orde-Lees schmollt. Es wäre das erste Mal, dass er eine Belehrung hinnähme, die nicht von Shackleton oder Wild kommt. Vincent, selbst als bloßer Matrose, existiert für ihn nicht mehr, seit der ihn im Schnee hat liegen lassen. Hurley dagegen stand in der Rangfolge stets unter Orde-Lees, der sich immer noch entweder als Ingenieur oder Proviantmeister versteht. Uns allen scheint es schwer zu fallen, Respekt vor einem Mann zu haben, dem seine Funktionen der Reihe nach abhanden kommen. Denn es gibt keine Maschinen, die Tante Thomas warten, und es gibt kein Essen, das er prüfen, verwalten und gerecht verteilen könnte.
    Er lässt den Stein von der einen in die andere Hand rollen, während er zuhört oder nicht zuhört, wen Vincents Spott als nächsten trifft.
    Marston ist an der Reihe. »Was ist das eigentlich, Kunst?«, fragt Vincent mit einem Hieb auf Marstons Schulter.
    Der sagt: »Viel Arbeit, John, verflucht viel Arbeit.«
    Und wieder Vincent: »Und immer harte Hoden, was? Und wofür? Am Ende stirbt jeder wie ein Hund. Und wie ein stinkender Köter wirst du vergessen.«
    Cheetham springt Marston bei. Die Toten soll man ruhen lassen, sagt er zu Vincent.
    Vincent jault. »Weißt du, warum wir die Toten vergessen, Herr Schlau?

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