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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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im weiß gefrorenen Bug und starren zu uns her. Orde-Lees hat sich einen Fuß von Greenstreet unter den Pullover gesteckt, er hat den Fuß dadurch vor dem Erfrieren bewahrt.
    Der Skipper hat noch andere Neuigkeiten. An der Nordostspitze der Elefanten-Insel hat die DUDLEY DOCKER einen Landeplatz gesichtet. Nur ein schmaler, steiniger Uferstreifen am Fuße unzugänglicher Klippen, ein trostloses, dem Sturm ausgesetztes Eckchen, aber ein Landeplatz.
    Â»Wir sollten es versuchen, Sir!«, übersetzt Cheetham Worsleys Gekrächz. »Sir, was meinen Sie dazu?«
    Shackleton blickt über die nebelverhangene See nach Osten. Der Tag bricht an, der 445. unfreiwillige Weddellmeertag. Dann nickt er und ist einverstanden.
    Käpt’n Worsley erhält Order, mit der DOCKER vorauszusegeln, dabei jedoch unbedingt in Sichtweite zu bleiben. Dicht unterhalb der sich ins Meer schiebenden Gletscher fahren unsere drei Boote nach Norden. Es ist ein Morgen mit Schauern aus schwerem, pelzigem Schnee bei minus 10 Grad. Immer wieder aber dreschen Böen von der See herein, die um ein vielfaches kälter und so heftig sind, dass auch das Segel der CAIRD mehrfach vom Mastbaum platzt und wir in einer Gletscherbucht Schutz suchen müssen. Dort treiben Süßwassereisklumpen in der Dünung. Und für die nächsten Stunden lutschen wir an dem unerwarteten herrlichen Durstlöscher und schieben die betäubenden Eisstückchen im Mund von Wunde zu Wunde.
    Ein tückischer Riffbogen schirmt den Strand, auf dem wir landen wollen, gegen die hereinrollenden Brecher ab. Der Sir entscheidet, dass als erstes Boot das Dingi den engen Durchlass zwischen den Riffs passieren und in der dahinterliegenden Bucht eine Tiefenlotung vornehmen soll. Die STANCOMB WILLS wird vom Schlepptau gelassen. Wieder rudern. Wir legen uns längsseits der CAIRD und nehmen Shackleton an Bord.
    Das Riffportal passiert, gelangen wir in die Bucht, unter den Felswänden ziehen wir die Riemen ein. Vom Greinen des Sturms und Donnern der Brandung ist zwischen den Klippen nur ein gespenstisches Echo zu hören. Es schwillt an und ab, fast ebenso schnell wie vom Rudern das Blut in meinen Händen pocht.
    Creans Lotung ergibt eine ausreichende Tiefe auch für die zwei großen Boote, und so erhalten Wild und Worsley das erhoffte Signal mit der Sturmlaterne. Langsam kommen sie in die Bucht gefahren, schließen zu uns auf, und nebeneinanderher gleiten dann unsere Boote durch das plötzlich ganz stille Wasser.
    Niemand sagt etwas. Nur Shackleton ruft manchmal nicht sehr laut den Kurs. Und im selben Moment, als unter mir der Kiel des Dingis über den schwarzen Kies schrammt, bestimmt er denjenigen, der als erster Mensch die Elefanten-Insel betreten soll. Hinüber zur JAMES CAIRD ruft er: »Gentlemen! Heben Sie Mister Holness auf diesen Strand.«

3
Auf dem schwarzen Strand
    N irgends ist ein Baum zu sehen, kein Strauch, kein Krüppelholz, nicht einmal Büschelchen wenigstens von dem blassen gelben Tussock-Gras, das auf Südgeorgien wächst und zwischen den Felsen leise im Wind zirpt. Auf der Elefanten-Insel gibt es kein pflanzliches Leben, zumindest keines, das sichtbar wäre für die Augen gewöhnlicher Schiffbrüchiger. Bobby Clark entdeckt schon im Hinsinken auf den durchwaschenen Kies Flechten und Moose. Die dürren Beine gespreizt, sitzt er auf dem Strand und kratzt mit einem Fingernagel auf den Steinen herum, die er vor sich aufgehäuft hat und die so dunkel sind und so leuchten wie hinter der Brille seine Augen. Während einiger Monate im Jahr, erzählt er uns, leben Zügel- und Eselpinguine in riesigen Völkern auf der Insel. Und ihren Namen habe die Insel nicht zu Unrecht. Hier würden so unfassbar große See-Elefantenkolonien überwintern, dass es bislang nicht einmal mit Fabrikfangschiffen gelungen sei, sie auszurotten. Weit und breit ist kein Tier zu sehen. Ein Erkundungstrupp, bestehend aus Crean, Hussey und Bakewell, kehrt niedergeschlagen ins Lager zurück. Sogar die Skuas haben uns im Nebel über dem Meer allein gelassen, als sie merkten, dass von uns nichts zu holen ist. Vielleicht also ist es so, wie Vincent spottet, vielleicht hat sich die Welt, während wir aus ihr herausgefallen sind, weitergedreht, und der Krieg und der Fortschritt haben den See-Elefanten schließlich doch den Garaus gemacht. Tja, könnte schon sein. Von uns abgesehen, die wir auf dem Strand

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