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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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kommt es postwendend durch die Decken zurück.
    In der zweiten Nachthälfte verstummen wir, und sogar die Vergewisserungsrufe der drei Bootskommandeure hören auf. Nur Prasseln des Regens, Meeresbranden und Herniederkrachen des Schnees dringen noch zu mir. In reglosem Taumel sitze ich eine Ewigkeit da, halte mich an meinem Freund fest und bibbere sein Zittern mit.
    Ich will die Augen nicht zumachen. Der böse Schlaf, der auf mich wartet, ist ein Abgrund, wimmernd mit meiner Stimme lauert er mir auf. Hownows heißer Schädel zwischen den Schenkeln scheuert mir die Haut wund. Doch seinen Kopf beiseite nehmen will ich auch nicht. Und wollte ich’s, ich könnte es nicht. Keinen Finger kann ich rühren.
    Dicht an meinem Ohr liegt Bakies Mund. Eine Zeit lang schnarcht er, doch meistens ist da bloß sein Keuchen. Es klingt kaum anders als das leise Greinen des Windes.
    Nur einmal, ganz von fern, meine ich zwei Worte zu verstehen.
    Â»Der Fisch!«, haucht Bakie. Träumt er? Oder es war doch bloß der Wind.
    Der Fisch! Ja, geistert es mir durch den Sinn, ich hole Ennids Fisch heraus. Wann, wenn nicht jetzt?
    Lies ihren Gruß, nur Mut, und wenigstens der stumme Jammer hat ein Ende.
    Und in Gedanken greife ich nach ihm, mit Fingern, an denen alle Beulen und Kratzer verheilt sind. Flugs knöpfe ich die Tasche auf und halte die Forelle in Händen. Helles Licht fällt auf ihr buntes Holz, und mein Herz pocht mir im Hals, als ich die Klappe öffne. In ihrem Bauch liegt gar kein Zettel, es steckt ein rotes Büchlein darin. An der winzig kleinen Kopie von Mister Muldoons Kontobuch erkenne ich den bösen Traum, und doch kann ich die sieben Seiten, mehr hat das Büchlein nicht, deutlich vor mir sehen und lesen, was darauf geschrieben steht:
    Die Hölle ist nicht heiß, sie ist eiskalt,
du Teufel,
und ich, der einmal Juggins hieß,
mein Gott,
ich friere immer noch! Drum sag du mir,
du Teufel,
warum ich denn gestorben bin!
    Am Morgen wabert ein so dichter Nebel über der See, dass ich die Gesichter der Männer vorn im Bug der CAIRD nicht erkennen kann. Holies leises Winseln dringt durch die Stille. Tom Crean tastet How nach Frostbeulen ab, dann setzt er sich hinter ihn und schließt den Matrosen in seinen Mantel. Im Blick der beiden, in Vincents, auch Bakewells, in jedem wilden Blick sehe ich Spuren von Albträumen wie dem meinen.
    Shackleton lässt durchzählen. Er hat einen Arm um den Mast der JAMES CAIRD geschlungen und lauscht auf jeden Namen.
    Und alle, die wir die Brauen im Schmerz so sehr zusammengezogen haben, dass man meinen kann, wir haben die Augen verbunden, alle rufen, keuchen oder heben die Stimme wenigstens zu einem Krächzen.
    Wir wundern uns selbst, doch wir sind alle noch am Leben.
    Von Frostbeulen gezeichnet, die Lippen und der Gaumen geschwollen, sterbensmüde und gepeinigt von der Angst, das Land verfehlt zu haben, segeln wir durch Nebel und Schnee. Als es am Nachmittag für kurze Zeit aufklart, dreht Worsley die DUDLEY DOCKER bei und peilt die Sonne. Es sind bange Minuten, in denen keiner in den drei miteinander vertäuten und auf der leichten Dünung beinahe stillstehenden Booten ein Wort zu sagen wagt. Ebenso stumm wiederholt der Käpt’n die Berechnung. Dann aber wendet er sich an den Sir, und beider Gesichter hellen sich auf.
    Wir sind auf Kurs, nur 40 Seekilometer trennen uns von der Elefanten-Insel. Behalten wir unser Tempo bei, werden wir das Eiland mit Anbruch der Nacht erreichen. Jubel gibt es keinen. Wir tauschen Blicke, und so mancher schaut zum Himmel auf. Der ist verhangen. Die Ärzte wecken Holie aus dem Dämmer.
    Â»Land, Holness! In ein paar Stunden sind wir da! Holness!« Macklin hält Holies Gesicht in den Händen, und nach einer Weile gibt er Antwort.
    Â»Ja«, sagt er schwach, »Land. Aye, aye. Verstanden.«
    Wir haben den Fehler gemacht, aus Gewichtsgründen eine viel zu kleine Menge Schmelzeis in die Boote mitzunehmen, und bezahlen dafür bitter mit unerträglichem Durst. Kurzzeitig verschafft es Erleichterung, an einem rohen, unter dem Mantel aufgetauten Robbenfleischfetzen zu lutschen und das Blut zu schlucken; doch weil das Fleisch salzig ist, sind wenig später Durst und Schmerzen im Rachen doppelt so groß. Als McCarthy in der DOCKER und McLeod in der CAIRD kurz nacheinander in Gebrüll ausbrechen und unter wütendem Umsichschlagen nach Wasser verlangen, gibt Shackleton Order,

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