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Der eiskalte Himmel - Roman

Der eiskalte Himmel - Roman

Titel: Der eiskalte Himmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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waren, konnten wir von nichts anderem reden als von dem Krieg. Dass es auf dem Schlachtfeld einen heißen Wind geben soll, der das Senfgas ankündigt. Und der Schneesturm hörte nicht auf. Es war, als ob …«
    Â»Es hat auch hier sehr viel geschneit dies Jahr«, sagt Mrs. Simms.
    Ich nicke. »Ja. Mom hat es mir erzählt.«
    Â»Das Grab war weiß, ganz und gar. Sehr friedlich.«
    Â»Es ist ein schönes Grab, Madam.«
    Â»Nicht wahr, das ist es. Ich habe dich unterbrochen.«
    Â»Nach zwei Tagen endlich konnte Tom Crean losfahren, um die drei von der Südküste abzuholen. Aber vom Krieg erzählte er ihnen … naja, nicht die Wahrheit jedenfalls. Der Krieg sei entschieden, es gebe Friedensverhandlungen. Er brachte es nicht übers Herz. Madam, ich fürchte, jetzt muss ich wirklich …«
    Â»So geschwächt, wie die drei gewesen sein müssen, hat er gut daran getan«, sagt Mrs. Simms schnell und langt ebenso schnell mit beiden Händen über den Tisch. »Sie haben es früh genug erfahren. So, wie wir alle früh genug davon erfahren haben! Nimm, Merce. Du kannst gar nicht genug essen.« Damit hält sie mir das Silbertablett hin, auf dem ein nicht abnehmen wollender Kekshügel aufgeschichtet ist. »Als ganz kleiner Bursche, weißt du noch? Was warst du da aufs Essen versessen. Ein richtiger Moppel warst du.«
    Â»Ich habe mich wohl ziemlich verändert, Madam, ich fürchte es zumindest. Soll ich Ihnen abräumen helfen?«
    Â»Ja, es wird dunkel«, sagt sie, indem sie den Kopf wendet und in den Birnengarten blickt, als stünde nur in diesem Winkel die Dunkelheit, die mich erwartet. Sie denkt nicht daran, mich zu entlassen, meine alte Lehrerin Mrs. Olivia Simms.
    Stattdessen sagt sie mit leerem Blick: »Einer von den dreien, die nicht mit euch über dieses Gebirge marschiert sind … wie hießen die Männer doch gleich?«
    Ich nenne ihr die drei Namen.
    Â»Vincent war es, glaube ich. In der Zeitung stand, er habe sich die Oberlippe abgerissen an einer gefrorenen Tasse Milch?«
    Sie sieht mich an. Angst und Kummer sprechen aus ihren Augen. Und doch hat ihre Verzweiflung nichts mit John Vincent zu tun.
    Â»Ja, Madam. Leider stimmt es.«
    Â»Was ist aus dem Mann geworden?«
    Mit einem letzten lauten Jellko schwingt sich der Vogel in die Luft und fliegt davon.
    Â»Ich weiß es nicht. In Valparaiso kam er ins Krankenhaus. Dort habe ich Vincent zum letzten Mal gesehen. Er wird nach England zurückgekehrt sein.«
    Sie macht eine Handbewegung, die nichts besagt, es sei denn, sie will etwas vertreiben, einen Nebelstreif, einen bösen Tagtraum oder diese Angst.
    Â»Warte. Ich komme gleich wieder«, stammelt sie, macht aber nicht einmal Anstalten, aufzustehen.
    Ich stehe auf. In meinem Unterleib hämmert der Schmerz, ich kann an nichts anderes denken als an den Moment der Erleichterung, wenn ich im Dunkeln am Rad meines Vaters lehne und lausche, wie das Wasser ins Gras sprudelt.
    Â»Bobby Cooper, der Rugbytrainer, du kennst ihn nicht. Er hat in der Schlacht an der Somme einen Arm verloren. Mrs. Cooper erzählte mir gestern, der Granatsplitter war groß und schwarz wie eine Fledermaus, nur dass er viel schneller war und durch den Arm einfach hindurchflog und ihn abriss. Auch Hutchinsons, die ein paar Häuser weiter wohnen. Sie erhielten binnen eines halben Jahres drei Telegramme. Alle ihre Söhne, ich habe alle drei unterrichtet: gefallene Helden. In jeder Straße Tote, Merce, auch bei euch im Dorf. Dein Schwager Herman, keiner weiß, was mit ihm geschehen ist. Senfgas, sagte mein Mann, nun setzen sie ein Gas ein, das noch zigmal tödlicher ist als Chlorgas. Und dann jammerte er, ach könnte ich nur, könnte ich doch selber die Uniform anziehen. Ich würde es den deutschen Teufeln schon zeigen! Und eines Morgens, Merce, da lag er dann tot im Bett.«
    Mrs. Simms bleibt sitzen, ungerührt von ihrem Gegenüber, so wie es immer war, wenn sie mit durchgedrücktem Rücken hinter dem Pult saß und ihre grünen Augen einen von uns ins Visier nahmen.
    Es ist ein linder Abend, durch den ich erleichtert hinüber nach Pillgwenlly fahre. Keine Menschenseele ist unterwegs. In den Wäldern von Dasshebdn soll ein Stamm Riesen leben, seit ihnen König Artus zum Dank dafür, dass ihn ein Riesenkind über den Usk-Fluss trug, die Hügel mit den Pappeln und Birken

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